Kontaktaufnahme

Persönliche Sprechzeiten dringend nötig

In der Pandemie setzen Behörden und öffentliche Einrichtungen verstärkt auf den Kontakt per Telefon oder Onlineangebote. Was einerseits dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Nutzer*innen dient, stellt jedoch andererseits eine Hürde dar. Alexandra Poppe, Referentin für besondere Lebenslagen, kommentiert die Situation.

Jeder Kontakt ist derzeit einer zu viel. Die Pandemie bestimmt unseren Alltag und der Gesundheitsschutz steht ganz oben auf der Agenda. Nicht wenige werden sich freuen, wenn deshalb lästige Behördengänge entfallen und sich ein Großteil am heimischen Computer oder per Telefon erledigen lässt. Denn viele Ämter wie beispielsweise die Agentur für Arbeit und die Jobcenter haben ihre Beratung derzeit überwiegend auf Telefon- oder Onlinekontakt umgestellt. Eine persönliche Beratung vor Ort ist nur eingeschränkt möglich. Im Sinne des Gesundheitsschutzes ist dieses Vorgehen verständlich. 

Doch die Beschäftigten in der Schuldner-, der Sozial- oder der Migrationsberatung sowie in anderen Beratungsstellen spüren diese Umstellung deutlich. Der Beratungsaufwand wächst. Hilfesuchend wenden sich Menschen dorthin, da sie mit ihrem Anliegen bei den entsprechenden Behörden scheitern. Nicht etwa, weil ihre Anträge und Anliegen abgelehnt würden - nein. Soweit sind manche gar nicht erst gekommen. Vielmehr stellen Telefon und Onlineangebot für diese Menschen eine Hürde dar.

Telefon und Onlineangebot als Hürde

Da ist zum Beispiel der ältere Herr. Erfolgreich bestellt er eine neue Bohrmaschine im Internet. Auch einen Blumengruß hat er schon online verschickt. An der Klärung einer Frage zu seinem Rentenbescheid im Onlineportal der Rentenversicherung scheitert er allerdings und bleibt ratlos zurück. Die dortigen Erklärungen versteht er schlicht nicht.

Oder die alleinerziehende Mutter, die sich keinen Computer - geschweige denn einen Internetanschluss - leisten kann. Am Telefon der Behörde verwies man sie wiederholt auf die Antragstellung per Onlineportal. Pech gehabt?

Schwierig wird es auch für den jungen Mann aus Syrien, der noch nicht so gut Deutsch spricht. Bei den bisherigen Terminen vor Ort konnte er mit der Behörde trotzdem alles gut klären. Jetzt, wo er ausschließlich anrufen kann, fällt es ihm schwer, dem Gespräch zu folgen.

Und schließlich ist da die verschuldete Frau. Sie hat kein Konto und bezahlte ihre Stromrechnung bisher monatlich in bar direkt beim Stromanbieter. Der hat seine Servicestelle nun jedoch geschlossen und nimmt nur noch Überweisungen an. Doch ohne Konto kann man nichts überweisen. Die Frau hat inzwischen Mahnungen erhalten. Ihr droht eine Stromsperre.

Beratungsstellen fangen auf

Dies sind nur einige Beispiele, wie sich reduzierte persönliche Beratungszeiten auf das Leben von Menschen auswirken können. Die Hilfesuchenden landen nun verstärkt in den Beratungsangeboten der freien Träger. Grundsätzlich helfen die Kolleg*innen dort auch gern weiter. Wenn sie jedoch die Beratungsleistungen von Behörden übernehmen müssen, bleibt andere Unterstützung auf der Strecke. Zudem sind Beratungsstellen der Sozialen Arbeit weder personell noch fachlich in der Lage, diese Lücke in Gänze zu schließen. Von Fragen des Datenschutzes und des Auskunftsrechts ganz zu schweigen.

Aber nicht nur der Arbeitsaufwuchs bereitet Sorge. Auch die Nöte von Klient*innen verschärfen sich, da gesetzliche Fristen einzuhalten sind.

Allen Menschen den Zugang ermöglichen

Es besteht dringender Nachbesserungsbedarf, wenn Menschen nicht weiter abgehängt werden sollen. Die Liga wandte sich kürzlich mit einem Brief an verschiedene Einrichtungen, um auf die Fallstricke hinzuweisen. Ämter und Behörden, aber auch privatwirtschaftliche Unternehmen im Bereich der Grundversorgung, sind aufgefordert, allen Menschen den Zugang zu ermöglichen. Nicht nur in Pandemie-Zeiten, sondern generell.


Kontakt:

Alexandra Poppe (Referentin Besondere Lebenslagen/ Sozialrecht)
Tel.: 0351 - 828 71 151
E--Mail: alexandra.poppe(at)parisax.de