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Pflege: Vernetzung als Arbeitsmittel

Symbolbild: Viele bunte Menschen mit Sprechblasen über ihren Köpfen.

Vernetzung scheint als Schlagwort etwas abgenutzt zu sein. Daher verwundert es kaum, wenn Leitungskräfte in der Pflege dahinter eine leere Floskel vermuten und ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Versorgung der Pflegebedürftigen richten. Doch richtig betriebene Vernetzung vor Ort spart Zeit und auch Geld, wie Erfahrungen aus dem Vogtlandkreis zeigen.

Die positive Energie ist fast mit den Händen zu greifen, als Susann Martin, Fachbereichsleiterin Pflege bei der Volkssolidarität Plauen/Oelsnitz, den Raum betritt. Die überzeugte Netzwerkerin gestaltet maßgeblich das Pflegenetzwerk im Vogtlandkreis mit. In den letzten sechs Jahren hat sich am südwestlichen Ende Sachsens eine Struktur entwickelt, in der Pflegeanbieter verbände- und organisationsübergreifend miteinander in gutem Kontakt stehen. „Der Austausch, den wir hier pflegen, hat allen Beteiligten in den letzten Jahren viel genützt. Das reicht vom ganz praktischen Wissen über den Einsatz neuer Hilfsmittel am Pflegebedürftigen bis hin zur guten Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung im Landkreis“, berichtet die Fachbereichsleiterin. Aus dem anfänglichen Austausch zwischen Einrichtungen, Diensten und Trägern erwuchs ein Geflecht, an dem längst weitere Akteure beteiligt sind, wie beispielsweise der Landkreis, die Krankenhäuser und die Pflegeschulen der Region.

Vernetzung spart Zeit und Geld

Gerade kleinere Träger stehen dem Vernetzungsgedanken häufig kritisch gegenüber, weil sie einen Mehraufwand befürchten, der bei der ohnehin hohen Aufgabendichte nicht machbar scheint. Diese anfängliche Zurückhaltung kann Susann Martin verstehen, teilt die Ansicht jedoch nicht: „Unsere Erfahrung zeigt, dass gute Vernetzung in einem positiven Aufwand-Nutzen-Verhältnis steht. Die Herausforderungen, vor denen wir als Pflegeanbieter stehen, sind die gleichen – egal, ob groß oder klein. Die Reformen der letzten Jahre sind in der Praxis umzusetzen, alle suchen Fachkräfte und müssen inhaltlich auf dem aktuellen Stand bleiben. In einem guten Netzwerk gibt es immer einen, der bereits weiter ist als die anderen. In den zurückliegenden Jahren sparten wir durch die Vernetzung viel Zeit, da wir beispielsweise durch Ideen Anderer Impulse für eigene Lösungen bekamen oder Schritte nicht gemacht haben, die andernfalls mit viel Aufwand und Kosten für uns verbunden gewesen wären.“ Letztlich geht es beim Austausch untereinander um konkrete Fragen des Berufsalltags, wie beispielsweise: Welches Computerprogramm ist am besten geeignet, um neuen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden? Welche Erfahrungen gibt es mit diesem und jenem neuen Medizinprodukt? Kennt jemand einen verlässlichen Anbieter für diese oder jene Leistung?

Entlastung durch vereinfachte Prozesse mit Partnern

Aber nicht nur der Wissensaustausch zwischen den Trägern führt zu Entlastungen oder hilft, Spannungen zu vermeiden. So konnten im Dialog mit den Krankenhäusern der Region das Entlassungsmanagement weiterentwickelt und der Übergang in die Pflege für alle Beteiligten erleichtert werden. Die Fachbereichsleiterin berichtet: „Beim Übergang aus dem Krankenhaus in die Pflege hakte es oft, da der Informationsaustausch zwischen Pflegeanbietern und Krankenhaus unklar war bzw. die Abläufe auf beiden Seiten nicht miteinander harmonierten. Dank der Vernetzung konnte gegenseitiges Verständnis erzeugt werden und die Übergänge verlaufen nun weitaus reibungsloser. Das spart nicht nur Zeit und in der Folge auch Geld, sondern schont gleichermaßen die Nerven von Personal, Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. Die Zufriedenheit ist gestiegen, weil Stress verringert oder vermieden werden kann.“ Aus der Perspektive der Fachkraftbindung sind diese Effekte nicht zu unterschätzen. Insbesondere bei kleineren Trägern, die nur überschaubare Spielräume für Personalentlastungen haben, liegen hier Potenziale.

Offenheit als Fundament des Netzwerks

Zur guten Vernetzung gehört Offenheit. Darin sieht Susann Martin den entscheidenden Motor des Erfolgs im Pflegenetzwerk des Vogtlandkreises: „In den letzten zehn Jahren gab es einen merklichen Wandel vom Konkurrenzdenken hin zum kooperativen Handeln. Damit wuchs der Nutzen für alle. Dazu gehört es, eigene Fehler zuzugeben, um andere davor zu bewahren – und bereit zu sein, Ideen und Wissen miteinander zu teilen. Das ist wie in einer guten Beziehung, in der ein Geben und Nehmen herrscht, ohne dies gegeneinander aufzuwiegen.“ Dieser Grundsatz gilt sowohl bei den regelmäßigen Treffen mehrerer Akteure als auch für die bilateralen Kontakte untereinander.

Zeitlicher Aufwand ist überschaubar

Viele fürchten den Zeitfaktor. Für die Akteure im Vogtlandkreis zeigt sich jedoch, dass die eingesetzte Zeit weniger belastet, als die gewonnenen Spielräume an Vorteilen bringen. Selbst für Einrichtungs- oder Pflegedienstleiter*innen bei kleineren Trägern rentiert sich daher der Aufwand. Das bestätigt Susann Martin: „Wenn ich hier ins Netzwerk blicke, hat ein jeder seine bestimmten Schwerpunkte, die er oder sie für am relevantesten erachtet und von denen die jeweils anderen profitieren können. Bei mir beläuft sich der formelle Aufwand auf etwa eineinhalb Stunden pro Monat. Da es um alltagspraktische Fragen und deren Lösung geht, ist diese Zeit nicht als zusätzlicher Aufwand zu verstehen, sondern als Teil des Lösungsweges.“ Die Anfangsphase dient der Vertrauensbildung und braucht ihre Zeit. Da es aber um gemeinsame Themen geht, sind die Brücken oft schnell gebaut.


Julia Schulz, Referentin für Pflege des Paritätischen Sachsen, merkt zum Thema Vernetzung an:

„Vernetzung gewinnt in der Pflege zunehmend an Bedeutung, wenn zukünftige Aufgaben wie die Fachkraftfrage, eine gute Versorgung der Pflegebedürftigen vor Ort und die Digitalisierung gelingen sollen. Doch alleine können die Träger das nur bedingt umsetzen.

Mit den Pflegekoordinator*innen hat der Freistaat einen wichtigen Impuls gesetzt, damit Pflege in den Regionen gestaltet wird. Die Aktivitäten und deren Stellenwert in den Landkreisen sind qualitativ jedoch sehr verschieden. Die Landkreise müssen endlich erkennen, dass die Pflegekoordination ausreichend Ressourcen und passende Kompetenzen benötigt, um nachhaltig wirken zu können. Der enge Kontakt zu den Pflegeanbietern ist dabei essenziell.

Andererseits ist der Freistaat in seiner Steuerungsverantwortung gefordert, die Arbeit der Pflegekoordination zu evaluieren und ggf. konzeptionell anzupassen. Ohnehin ist fraglich, ob eine Person pro Landkreis oder kreisfreier Stadt die notwendigen Aufgaben zu meistern vermag.“

Kontakt:

Julia Schulz
Tel.: 0351/ 828 71 142
E-Mail: julia.schulz(at)parisax.de


Der Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 1.2019 unseres Verbandsmagazins anspiel.