Anlässlich des Europäische Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung versammelten sich am 5. Mai 2025 in Dresden zahlreiche Menschen mit Behinderung und Unterstützer*innen, um auf ihre Rechte aufmerksam zu machen.
Initiatoren des Protestes waren das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Sachsen und die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Ihre Botschaft war klar: Inklusion darf kein Randthema sein – gerade nicht in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte. Daher war die Übergabe eines Forderungspapiers an den Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) ein zentrales Element der Veranstaltung. Die Organisator*innen machten damit deutlich: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist kein politisches „Nice-to-have“, sondern ein völkerrechtlich bindender Auftrag – auch für Sachsen.
Die zentralen Forderungen des Papiers lauten:
- Inklusion als verbindliches gesellschaftliches Ziel anerkennen und konsequent auch in den Kommunen umsetzen.
- Assistenzleistungen zuverlässig refinanzieren – mit Förderung für Ausbildung und Fachkräftegewinnung.
- Barrierefreiheit auf allen Ebenen – baulich, digital, sprachlich und sozial.
- Selbstvertretungen strukturell absichern und Mitsprache auf Augenhöhe garantieren.
Die Initiator*innen übergaben ihr Forderungspapier an Ralf Leimkühler, den stellvertretenden Geschäftsführer des SSG. Er versprach eine Einladung der Selbstvertretungen in den kommenden Wochen, um ihre Forderungen zu diskutieren. Zugleich wies er auf die dramatische Haushaltslage hin – die angespannteste seit 35 Jahren. Der SSG fordere daher vom Land weniger Bürokratie und mehr kommunalen Spielraum bei den Budgets.
Der Paritätische Sachsen befürwortet den Abbau bürokratischen Aufwands, spricht sich jedoch für eine klare Zweckbindung aus. Die vom Freistaat für die Eingliederungshilfe bereitstellten Mittel, müssen bei den Menschen mit Behinderung ankommen. Ohne Zweckbindung sieht der Verband die Gefahr, dass zumindest Teile der Gelder zur Haushaltskonsolidierung anderweitig verwendet werden. Teilhabe darf nicht zur Verhandlungsmasse werden.
Zwei Fallbeispiele machen die Herausforderungen deutlich:
Paul Schmidt, 22 Jahre alt, möchte eine Ausbildung im Gartenbau machen. Eine Berufsschule würde ihn aufnehmen – er braucht dazu eine entsprechende Assistenz. Doch wird das notwendige Budget für Schulassistenz vom Träger genehmigt? Oder muss Paul, mangels Unterstützung, doch in eine Werkstatt wechseln, obwohl er das nicht möchte? Was bedeutet das für sein Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben?
Martha Krüger ist 68 und lebt seit 35 Jahren in einer besonderen Wohnform für Menschen mit Behinderung. Nun droht ihr der Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung – ihre Fähigkeit noch an der Gesellschaft teilzuhaben, wird angezweifelt. Muss sie ihre vertraute Umgebung verlassen, obwohl sie mit Leistungen der Eingliederungshilfe weiter selbstbestimmt leben könnte? Wird ihr Wunsch respektiert – oder zählt am Ende nur die Wirtschaftlichkeit?
Diese Fragen stehen stellvertretend für Entwicklungen, die der Paritätische Sachsen vielerorts beobachtet. In Zeiten knapper Kassen droht die Teilhabe von Menschen mit Behinderung unter die Räder zu geraten. Gerade jetzt braucht es verlässliche Strukturen – beim Wohnen, in der Bildung und in der Arbeit.
Menschen mit Behinderung müssen sich auf die ihnen zustehende Unterstützung verlassen können – unabhängig von Kassenlage oder Wohnort. Die Demonstration in Dresden war ein starkes Signal: Inklusion ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für ein demokratisches und solidarisches Miteinander.
