Die Qualitätsentwicklung in Schulen kann sich je nach Träger, Konzept und den beteiligten Akteuren recht unterschiedlich gestalten. In Waldorfschulen sind die Reflexion der Abläufe des Schulalltags und die Offenheit für neue Perspektiven nur zwei Aspekte, die auf den Plan treten, wenn es um Qualitätsfragen geht. Gundula Dobrig berichtet aus der Waldorfschule Chemnitz.
Rund 430 Schüler*innen lernen derzeit in der Waldorfschule Chemnitz. Das Bildungsangebot der Einrichtung reicht von der Grundschule bis zum Abitur. Bei dieser Bandbreite ist es selbstverständlich, dass in den gut 29 Jahren seit Schulgründung einzelne Prozesse und Herangehensweisen immer wieder auf den Prüfstand kamen. Am wichtigsten sind und bleiben das Interesse und die Offenheit aller Beteiligten für den Fortschritt. Gesellschaftlicher Wandel und altersgemäße Entwicklungsprozesse müssen gemeinsam und urteilsfrei betrachtet werden. Da dies nicht einfach so nebenbei gelingen kann, sind feste Ressourcen und Instrumente dafür eingeplant, auch wenn das vor dem Hintergrund der finanziellen Ausstattung freier Schulen immer ein Kraftakt ist.
Pädagogische Fachkräfte im Dialog
Beispielsweise geht es um die pädagogische Qualität, die sich maßgeblich im Unterricht und in der kollegialen Zusammenarbeit zeigt. Sie basiert auf angewandter Pädagogik sowie den aktuellen Bedarfen der Schüler*innen. Dreh- und Angelpunkt sind dabei die Lehrkräfte in ihrer Funktion als Mittler. Deshalb liegt in Waldorfschulen ein besonderes Augenmerk auf dem steten Entwicklungsprozess der pädagogischen Fachleute.
Eine zentrale Bedeutung hat dabei das Bedürfnis jeder einzelnen Lehrkraft, den eigenen Unterricht fortlaufend zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Die wechselseitige Hospitation der Kolleg*innen untereinander ist hierbei ein hilfreiches Instrument. Im kollegialen Dialog wird der Unterricht anschließend betrachtet und Unterstützung angeboten. Neu hinzugekommenen Kolleg*innen wird außerdem Mentoring angeboten. Im Mentor*innenkreis aller Anleitenden werden die Prozesse koordiniert und besprochen. Alle Lehrkräfte erhalten individuelle Weiterbildungsempfehlungen und auch den Mentor*innen selbst stehen passende Tagungen und Kurse zur Verfügung. Von diesem Verfahren profitieren beruflich Quereinsteigende ebenso wie das erfahrene Lehrpersonal.
Strukturen der Kommunikation nach innen
Zusätzlich geben die verschiedenen Instanzen des Schulorganismus Raum, sich mit den Grundlagen der Waldorfpädagogik und sich ändernden Rahmenbedingungen der Schule auseinanderzusetzen. In einer Reihe von Konferenzen und Arbeitsgruppen wird engmaschig an Aufgaben und Problemlösungen gearbeitet. Dabei wird zwischen internen Arbeitskreisen des Kollegiums und Kreisen mit Elternbeteiligung unterschieden.
In den wöchentlichen Konferenzen der Unter- und Mittelstufe, der Oberstufe und der Förderschule sowie in der gemeinsamen Konferenz der gesamten Belegschaft berichten inhaltlich gegliederte Arbeitskreise. Eine stark koordinierende Funktion hat dabei die Schulführungsgruppe. Eltern sind immer eingeladen, sich an Arbeitskreisen wie dem Baukreis und dem Wirtschaftskreis zu beteiligen oder im Vorstand mitzuwirken.
Als Mitglied im Bund der Freien Waldorfschulen kann zudem der sogenannte Expertenservice genutzt werden: Erfahrene Kräfte helfen dort mittels externer Betrachtung, Lösungen zu finden.
Familie als Rahmen gelingender Schulbildung
Ein weiterer Aspekt ist die Kooperation von Lehrpersonal und Eltern. Bei den meisten schulischen Arbeitsgruppen ist die Mitarbeit der Eltern möglich. Auch bei klassenübergreifenden Elternabenden, Mitgliederversammlungen und Arbeitseinsätzen wird die Chance, die Schule der Kinder aktiv mitzugestalten, stets betont und gelebt. Die Lehrkräfte ermöglichen es den Eltern auf diese Weise, einzelne Themengebiete kennenzulernen, und sie ermuntern zur Mitwirkung.
Im Falle einer gelingenden Zusammenarbeit mit dem Kollegium können die Interessen und Fähigkeiten der Einzelnen auch neue Perspektiven eröffnen. Die so gewonnen Ideen müssen jedoch stets in die vorherrschende Pädagogik eingebettet sein. Neben den üblichen Inhalten werden auf den Elternabenden die Entwicklungsphasen der Schüler*innen auch aus geisteswissenschaftlicher Sicht betrachtet und ihnen werden die passenden Unterrichtsinhalte erläutert. Dieser Austausch ermöglicht es, eventuelle Probleme frühzeitiger zu erkennen, ganzheitlichere Wege zu finden und den Schulorganismus zu stärken.
Um Familien in die Anliegen der Schule gut einbinden zu können, fand im Jahr 2018 erstmals ein Initiativwochenende statt: In fünf thematisch aufgeteilten Gruppen diskutierten Oberstufenschüler*innen, Eltern und Lehrkräfte über Strategien für anstehende Aufgaben. In der Folge entstand beispielsweise die Arbeitsgruppe „Digitalisierung und Medienmündigkeit“, die bereits erste Vorträge für die Mitarbeitenden, einen Schulelternabend mit Expertenvortrag und einen Workshop für die Oberstufe organisierte. So bleiben die Themen in der Schulgemeinschaft präsent. Im März 2019 startet als Begegnungsort ein Elterncafé. Diese Initiativwochenenden sollen nun regelmäßig stattfinden und das Verständnis aller Beteiligten füreinander fördern.
Die Autorin: Gundula Dobrig ist verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Waldorfschule Chemnitz.
Dr.'in Susanne Kleber, Referentin Bildung des Paritätischen Sachsen sagt zur Qualitätsentwicklung in Schulen:
„Um die Leistungsfähigkeit und Qualität des Bildungssystems dauerhaft zu stärken, bedarf es eines Qualitätskonzepts, das Lehrkräfte und Schulleitungen befähigt, die besten Lernbedingungen und Bildungschancen für die Schüler*innen zu schaffen. Dieses Konzept muss auf einer umfassenden Qualitätsdebatte beruhen, an der sich Schulpraktiker*innen, Bildungsforscher*innen, Verbände sowie Vertreter*innen der Schulverwaltung und der Beratungsgremien beteiligen. Der Freistaat sollte hierbei als Moderator agieren und einen Dialog für die gesamte Schullandschaft in Sachsen anstoßen.
Im Paritätischen Sachsen entwickeln wir derzeit ein leicht handhabbares Evaluierungsinstrument, mit dem die Qualität in den unterschiedlichen Bereichen des Schulalltags erfasst werden kann. Unsere Ansätze und die Erfahrungen unserer Mitglieder bringen wir gerne in einen landesweiten Dialog ein.“
Kontakt:
Dr.'in Susanne Kleber
Tel.: 0351/ 828 71 147
E-Mail: susanne.kleber(at)parisax.de
Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 1.2019 unseres Verbandsmagazins anspiel.