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Reform der Eingliederungshilfe: Das Bundesteilhabegesetz in der Kritik

Rollstuhl Behinderung Teilhabe Inklusion (Sophie Lamezan/ pixelio.de)

Das Bundesteilhabegesetz soll Barrieren senken und für mehr Teilhabegerechtigkeit sorgen. Angestrebte Kosteneinsparungen und Chancengerechtigkeit erweisen sich dabei jedoch als unvereinbar. Nun sieht sich der Gesetzesentwurf scharfer Kritik ausgesetzt.

Modernes Teilhaberecht als Ziel

Seit bald zehn Jahren sprechen sich die Sozialminister der Länder für eine Reform der Eingliederungshilfe aus. Der geforderte Modernisierungsbedarf begründet sich einerseits in der Notwendigkeit, bestehende Regelungen den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) anzupassen und andererseits die steigenden Ausgaben der Eingliederungshilfe in den Griff zu bekommen. Die Regierungsparteien griffen die Forderungen der Landesebene auf und schrieben sich im Koalitionsvertrag von 2013 die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht auf die Tagesordnung.

Unvereinbares vereinbaren

Der seit April 2016 vorliegende Referentenentwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen“, dem sogenannten Bundesteilhabegesetz (BTHG), ist nun das bisherige Ergebnis auf dem Weg zum modernen Teilhaberecht.

Der Entwurf greift die beiden Impulse der Landessozialminister derart auf, indem die „Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe …so geregelt werden soll, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht“ und spricht gleichzeitig davon, dass „das deutsche Recht grundsätzlich in Übereinstimmung mit diesem Menschenrechtsübereinkommen weiterzuentwickeln“ ist. Diese zwei Zielstellungen, die zu unterschiedlich sind um sie in ein einziges Gesetz zu gießen, präsentieren ein Ergebnis, das nur Verlierer kennt. Dem Gesetzentwurf liegen zwei Intentionen zugrunde, die eigentlich nicht miteinander zu vereinen sind. Denn die jährlich steigenden Kosten im Bereich der Eingliederungshilfe haben ihre Ursache nicht in einer Ausweitung von Leistungen, sondern in einer stetig steigenden Zahl von Anspruchsberechtigten.

Kritik von allen Seiten

Das für den Gesetzentwurf verantwortliche Bundesministerium für Arbeit und Soziales erhielt mit dem Bekanntwerden eine Vielzahl an Rückmeldungen und Stellungnahmen. In mehr oder weniger differenzierter und ausführlicher Form, hagelte es Kritik und es werden zum Teil deutliche Nachbesserungen gefordert.

Bemerkenswert ist die Bandbreite der Kritiker. Sie reicht vom Deutschen Landkreistag und der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger bis hin zu sämtlichen Behindertenbeauftragten der Bundesländer und der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen. Die Betroffenenverbände äußerten ebenfalls ihre deutliche Ablehnung, die in öffentlichen Protesten und im Internet unter dem Hashtag #NichtmeinGesetz sichtbar wird. Aus den Reihen der Wohlfahrtsverbände hat sich bisher nur der Paritätische eindeutig gegen den Entwurf positioniert.

Zentrale Kritikpunkte sind, dass

  • insbesondere Menschen mit Sinnesbehinderungen und psychisch kranke Menschen akut von Leistungsausschluss bedroht sind
  • Menschen mit Behinderungen vermehrt in Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden
  • fachliche Standards abgesenkt, Teilzeitarbeit zunehmen und Fachkräfte fehlen werden

Abwanderung von Fachkräften aus Sachsen befürchtet

Neben den grundsätzlich vorgetragenen Kritikpunkten entstünde in Sachsen ein besonderes Spannungsfeld. Schon jetzt ist es für Träger im Freistaat schwierig, Fachkräfte in der Behindertenhilfe zu finden und zu binden, da hier schon seit Jahren bundesweit die geringsten Ausgaben im Bereich der Eingliederungshilfe getätigt werden.

Die im jetzigen Entwurf zum BTHG vorgesehene Regelung, dass künftig nur noch bei denjenigen Anbietern Leistungen einzukaufen sind, deren Preisangebot im unteren Drittel liegt, könnte eine gefährliche Abwärtsdynamik freisetzen. Weitere der rund 110.000 in der Behindertenhilfe und Pflege beschäftigten Fachkräfte würden wohl ihre Koffer packen und abwandern. Es steht zu befürchten, dass die Lücke zwischen Bedarfen an Unterstützung zur Teilhabe und Pflege und vorhandem Personal weiter wächst.

Am 28. Juni 2016 befasst sich der Paritätische Sachsen auf der Fachtagung "Das Bundesteilhabegesetz kommt...!? Auswirkungen auf Sachsen" in Dresden mit dem Entwurf des Bundesteilhabegesetzes. Lesen hier mehr...

Kontakt:

Roland Frickenhaus
Referent für Eingliederungshilfe
Tel.: 0351/ 49 166 35
E-Mail: roland.frickenhaus(at)parisax.de

 

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