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Regenbogenfamilien: Familie - immer noch anders?

Regenbogenflagge

Mama, Papa, Kind? Familie ist weit mehr als es uns tradierte Rollenbilder glauben machen wollen. Trotz vieler gesellschaftlicher und rechtlicher Veränderungen sehen sich Regenbogenfamilien noch immer Hürden gegenüber. Die Landesarbeitsgemeinschaft Queeres Netzwerk Sachsen macht darauf aufmerksam und setzt sich für Verbesserungen ein, berichtet Martin Wunderlich.

Tausende Kinder wachsen in Regenbogenfamilien auf, in denen sich mindestens eine Sorgeperson als lesbisch, schwul, bisexuell, trans, nichtbinär, inter und/oder queer (LSBTIQ*) verortet. Sie bilden jene Gruppe, die dem heteronormativen Vater-Mutter-Kind-Ideal wohl am offensichtlichsten entgegensteht. Dies fällt besonders auf, wenn es um die Frage nach der „richtigen“ Familie geht. Eine Antwort kann lauten: Familie ist, wo Kinder sind. Geltendes Recht und die gesellschaftliche Wahrnehmung hängen der gelebten Realität jedoch auch in Sachsen deutlich hinterher, was zu Ungleichheiten und Benachteiligungen führt.

Regenbogenfamilien stehen in der ständigen Beweispflicht, gute Eltern zu sein. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, sich gegen das Recht von Kindern auf Mutter und Vater zu stellen, die Kinder mit ihrer Lebensweise in Gefahr zu bringen, so dass diese eine höhere Anfälligkeit für Mobbing und Suizid hätten, sowie den Kindern letztlich ihre „Gender-Ideologie“ aufzudrücken.

Die Ergebnisse der ersten und bislang einzigen repräsentativen Studie zu Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Deutschland sprechen jedoch eine andere Sprache. Die Befragung von gut 100 Kindern und Jugendlichen zeigt, dass die Persönlichkeitsentwicklung, der schulische und berufliche Werdegang sowie die Entfaltung der emotionalen und sozialen Kompetenzen bei Kindern in Regenbogenfamilien durchweg gut verlaufen. Anzeichen für verstärkte Depressionsneigung oder psychosomatische Beschwerden fehlen. Ganz im Gegenteil: Diese Kinder und Jugendlichen haben sogar ein paar Entwicklungsvorteile wie beispielsweise ein signifikant höheres Selbstwertgefühl als Gleichaltrige in allen anderen Familienformen.

Regenbogenfamilien in Sachsen benötigen passende Beratungsangebote. Es braucht in den Regelstrukturen dringend mehr Fachleute aus Sozialarbeit und Pädagogik, Psychologie, Medizin, Theologie etc., die gut über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt informiert sind. Diese Querschnittsaufgabe sollte in die Ausbildung aufgenommen werden.

An sächsischen Schulen sollte die konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema gefördert werden, denn hier kann eine sachlich fundierte, vorurteilsfreie Information stattfinden. Außerdem sollten Regenbogenfamilien in Kinder- und Schulbüchern als gleichwertige Partnerschafts- und Familienkonstellationen dargestellt werden.

Gesamtgesellschaftlich muss die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und der damit verbundenen Lebensweisen vergrößert und bestehende Vorurteile und negative Klischeebilder müssen abgebaut werden. Größere Akzeptanz vereinfacht das Leben für Regenbogenfamilien. Sie führt zu mehr Selbstsicherheit und Selbstakzeptanz, wodurch auch das Familiensystem entlastet wird.

In sächsischen Regenbogenfamilien wachsen Kinder liebevoll und mit besten Entwicklungsmöglichkeiten auf. Dafür brauchen sie aber auch die volle Anerkennung und rechtliche Absicherung sowie als gesellschaftliche Realität den gleichen Respekt. Deshalb sind weitere Gesetzesänderungen – im Familienrecht und bei der Familiengründung – notwendig. Geplante Aktivitäten der Bundesregierung lassen auf wichtige Impulse hierfür hoffen.


Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Queeres Netzwerk Sachsen ist der Dachverband der sächsischen Organisationen und Vereine, die sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Menschen (LSBTTIQ*) einsetzen.

Mehr Informationen auf: www.queeres-netzwerk-sachsen.de


Der Autor: Martin Wunderlich ist Fachreferent für öffentliche Kommunikation bei der LAG Queeres Netzwerk Sachsen.

Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe März 2022 des Verbandsmagazins anspiel.