Was passiert, wenn wir feste Arbeitsplätze aufgeben? Ein Selbstversuch im Desk Sharing zeigt: Der tägliche Platzwechsel fordert Gewohnheiten heraus und eröffnet Spielräume für digitales Arbeiten. Ein Erfahrungsbericht mit Augenzwinkern.
Wo sitze ich heute? Diese Frage gehört jetzt fest zum Start in den Tag. Bevor ich zu viel darüber nachdenke, werfe ich einen Blick ins Buchungssystem und steuere den in der Vorwoche sorgsam ausgewählten Schreibtisch an. Wer bucht, bekommt den Lieblingsplatz. Wer nicht, muss nehmen, was übrigbleibt.
Umwege, Leere und eine neue App
Alte Routinen verschwinden, neue kommen schnell dazu: Ich übe den täglichen Stuhlhöhen-Check, als wäre er ein sportliches Ritual. Schwieriger ist es, sich neue Laufwege einzuprägen: Der Rückweg vom Drucker führt verlässlich zum einst festen Arbeitsplatz. Dort sitzt die Kollegin und lächelt mich an. Kurz überlege ich, ob ich ein Anliegen vortäusche, kapituliere dann und sage: „Oh, hier wollte ich gar nicht hin.“ Ich ernte verständnisvolles Nicken. Wir sitzen alle im selben Boot – nur an anderen Tischen.
Der Blick auf leere Schreibtische der später Kommenden ist ungewohnt: kein Durcheinander, aber auch kein Zuhausegefühl. Denn leer meint leer: Keine Mappen, keine Zettel, keine Bilder … Das muss es sein, das Ideal der Clean-Desk-Policy. Die Freudenschreie der Datenschutzverantwortlichen dringen leise zu mir durch.
Jeden Tag neu einrichten fühlt sich ein bisschen wie Umziehen an. Selbst die Umzugskiste bleibt – wie im echten Leben – weitgehend gefüllt: Mehr als Laptop und Kopfhörer wandern selten auf den Arbeitsplatz. Warum lagen früher so viele Zettel auf meinem Tisch, die jetzt still in der Kiste ruhen? Der Wechsel zur Notiz-App ist nur einen Klick entfernt. Die Digitalisierungswelle rollt und ich surfe mit.
Buchungs-Flow und Heimatgefühle
Bei so viel Veränderung bin ich dankbar für ein wenig Kontinuität: Alle Arbeitsplätze sind mit Grünpflanzen ausgestattet. Ein nicht zu unterschätzender Wohlfühlfaktor, der jedoch ins Wanken gerät: Gießt jetzt jede*r oder keine*r? Also: Gießplan besprechen im Teammeeting.
Vier Wochen später: Die Pflanzen leben und wir sehen auch noch ganz gut aus. Ich bin sogar so richtig drin im Buchungs-Flow und im täglichen Einrichten an immer neuen Tischen, dass ich fast wehmütig werde, als die Testphase endet. Und doch: Einfach nur den Rechner am Stammplatz einschalten, statt mich täglich neu einzurichten? Nach Tagen voller Platzwechsel fühlt sich das an wie Nachhauskommen.
Die vorläufige und ganz ernst gemeinte Bilanz unseres Experiments: Desk Sharing? Klappt. Wenn die Bedingungen stimmen und die Umstellung gut begleitet wird.
Hintergrund: Der Selbstversuch Desk Sharing ist Teil des Projekts WEITER – Transformation durch Weiterbildung. Er wird derzeit ausgewertet, die Ergebnisse fließen in die weitere Projektarbeit ein.
Sie haben bereits eigene Erfahrungen mit Desk Sharing gesammelt und möchten sie mit uns und anderen sozialen Organisationen teilen? Dann melden Sie sich bei Saskia Engler (Mitarbeiterin Weiterbildung und Digitalisierung) unter 0351/82871-451 oder saskia.engler(at)parikom.de.
Das Projekt WEITER – Transformation durch Weiterbildung ist ein Projekt der parikom gGmbH. Es entwickelt neue Konzepte für die Weiterbildung in der Sozialen Arbeit und gibt sozialen Organisationen Impulse zur Bewältigung von Transformationsaufgaben, z. B. im Bereich New Work.

