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Sachsen zieht sich aus Verantwortung zurück – Novellierung der Richtlinie Psychiatrie und Sucht

Eine Flaschenpost mit einem Zettel auf dem Hilfe steht, liegt in der Brandung eines Strandes.

Seit Jahren fordern Verbände und Träger eine Überarbeitung der Richtlinie Psychiatrie und Sucht des Sächsischen Sozialministeriums. Nun liegt eine überarbeitete Version vor, die den Freistaat aus seiner Steuerungsverantwortung entlässt. Wohlfahrtsverbände kritisieren diesen Schritt und fordern Korrekturen.

Im Juni 2016 legte das Sächsische Sozialministerium (SMS) eine überarbeitete Version der seit über zehn Jahren unveränderten Richtlinie Psychiatrie und Suchthilfe (RL- PsySu) vor. „Die Novellierung wurde von Trägern der ambulanten Psychiatrie- und Suchthilfe schon lange erwartet. Die Richtlinie regelt die landesweite Finanzierung der Angebote und sorgt gleichzeitig für eine fachliche Steuerung. Sie begleitet so die kommunale Verantwortung für dieses Handlungsfeld. Mit dem vorliegenden Entwurf entledigt sich das SMS seiner Steuerungsfunktion“, kritisiert Bärbel Herold, Referentin für Hilfen in besonderen Lebenslagen des Paritätischen Sachsen.

Pauschalisierte Mittelvergabe in Psychiatrie und Sucht birgt Risiko

Bisher erfolgte die Mittelvergabe über ein Punktesystem, das sich an fachlichen Aspekten orientierte und gleichzeitig die jeweiligen Bedarfe in den Regionen berücksichtigte. Künftig soll die Sächsische Aufbaubank (SAB) als Bewilligungsinstanz fungieren, die als rein fiskalisch orientierte Institution keine inhaltliche Kompetenz in den Bereichen Psychiatrie und Sucht besitzt. „Die Landesdirektion ist als aktuelle Bewilligungsbehörde hinreichend fachlich und sachlich geeignet. Eine Verlagerung zur SAB entbehrt jeglicher inhaltlichen Grundlage“, merkt die Referentin an und sagt mit Blick auf die pauschale Bemessung der Fördermittel anhand von Einwohnerzahlen: „Wenn anstelle der Bemessung nach Punkten eine Pauschalisierung erfolgen soll, dann müssen regionalspezifische Bedarfe, etwa unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Psychiatrieberichterstattung, zu Grunde liegen.“ Dies könne die SAB sicher nicht leisten.

Zudem befürchten die Kritiker des vorgelegten Richtlinienentwurfs, dass die geplante Pauschale eine Finanzierung nach Kassenlage zu Folge hat. „Die Ermittlung einer Förderpauschale hat auf Basis einer belastbaren und fachlich begründeten Annahme zu erfolgen und soll bei Bedarf eine individuelle Regelung zulassen“, heißt es in der Stellungnahme der Sächsischen Wohlfahrtsverbände. Dort ist ebenfalls die Befürchtung zu lesen, dass Landkreise, in denen die ambulante psychiatrische Versorgung qualitätsgerecht gewährleistet ist, bei einer pauschalen Mittelvergabe Einbußen hinnehmen müssen. „Ein Abbau bestehender Strukturen wäre für die Menschen in den betroffenen Regionen ein nicht hinnehmbarer Verlust. Bereits jetzt besteht vielerorts nur eine Grundversorgung. Die in den Landkreisen ohnehin sehr unterschiedliche Ausstattung könnte in eine weitere Schieflage geraten“ warnt Bärbel Herold.

Richtlinie ist begrifflich ungenau

Ungenaue Begrifflichkeiten in der neuen Richtlinie geben weiteren Anlass zur Kritik. Neben unbestimmten Rechtsbegriffen betrifft dies vor allem die vage beschriebenen Fördergegenstände. Die Referentin fordert: „Eine Förderung muss zweck- und zielgerichtet sein. Die Richtlinie soll ein differenziertes Fördersystem sicherstellen und finanzieren. Der Entwurf bleibt diesbezüglich nebulös und ist dringend nachzubessern.“

Am 19. August 2016 endete das Beteiligungsverfahren zur Novellierung der RL PsySu. Der Paritätische Sachsen brachte gemeinsam mit den anderen Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen entsprechende Änderungsvorschläge ein.

 

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