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Selbstschutz: Gut vorbereitet und solidarisch

Basierend auf den Erfahrungen Mobiler Beratungsteams gegen Rechtsextremismus im Umgang mit Drohungen und Angriffen, fasste der Bundesverband Mobile Beratung für uns Ansätze zusammen, wie soziale Einrichtungen und Dienste mit Anfeindungen gegen Beschäftigte und Angebote umgehen können.

In den letzten Jahren hat die Debatte um Anfeindungen, Drohungen und Gewalt gegen unterschiedliche Berufsgruppen an Dynamik gewonnen. Unterschiedliche Studien zeigen das Ausmaß der Bedrohungen beispielsweise gegen Rettungskräfte oder Mitarbeitende der kommunalen Verwaltung. Ein Teil solcher Angriffe kommt von rechts – das können rassistische oder antisemitische Beleidigungen und tätliche Angriffe sein, Provokationen von Neonazis, Corona-Leugner*innen und Reichsbürger*innen oder regelrechte Kampagnen in den Sozialen Medien, die mitunter zu Morddrohungen führen.

Als Betroffene stehen im öffentlichen Diskurs vor allem kommunale Amts- und Mandatsträger*innen im Fokus. So widmete Bundesinnenministerin Nancy Faeser im 2022 vorgestellten „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ dem „Schutz von Mandatsträgern“, die vermehrt Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt seien, einen eigenen Punkt. Dass dies aber auch Engagierte und Beschäftigte in sozialen und pflegerischen Berufen betrifft, blieb bisher außen vor.

Druck auf soziale Angebote wächst

Dabei gibt es seit vielen Jahren Stimmen aus diesem Feld, die Beispiele und Handlungsempfehlungen liefern. Die 2022 veröffentlichte Studie „Kontinuierliche Präsenz, systematische Angriffe und alltägliche Verschiebungen. Die extreme Rechte in der Sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern“ zeigt, dass die Angriffe „einen zum Teil drastischen Charakter“ aufweisen und „bis hin zu massiven Bedrohungen und tätlichen Angriffen auf Fachkräfte“ reichen, aber auch „Adressat*innen und ihre Schutzräume“ treffen. Neben solchen direkten Angriffen werden gerade Vertreter*innen von Projekten oder Arbeitsbereichen, die sich öffentlich zu heiß diskutierten Themen äußern, sich demokratisch positionieren und für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen, immer wieder Ziel von öffentlichen Kampagnen.

Mobile Beratungsteams bieten in solchen Fällen Unterstützung an, haben aber auch selbst Erfahrung mit Angriffen und Bedrohungen. Gegen den Mitarbeiter eines Teams wurden im Hausflur Morddrohungen gesprüht, im Rahmen von Demonstrationsbeobachtungen wurden Kolleg*innen bedroht und körperlich angegangen. Auf Videoplattformen tauchen „Fahndungsvideos“ der extremen Rechten zu einzelnen Mobilen Berater*innen auf. Immer wieder sind die Teams mit anonymen Anrufen oder Drohungen per Post oder Mail konfrontiert.

Sicherheitsfragen rechtzeitig besprechen

Sicherheitsfragen werden daher seit einigen Jahren verstärkt diskutiert. 2017 sprachen Berater*innen bei einem Treffen der „Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Beratung“ über ihre Erfahrungen und ihren Umgang mit solchen Szenarien. 2018 entstand ein verbandsinternes Papier zu „Minimalstandards zur Sicherheit der Mobilen Beratungsteams“, das maßgeblich auf den Erfahrungen der Fachträger aus Berlin (VDK e.V.) und Sachsen (Kulturbüro Sachsen e.V.) aufbaute. Das Papier enthält zunächst zwei zentrale Empfehlungen:

Ängste zulassen und gemeinsam angehen

Besonders wichtig sind ein wertschätzender Umgang mit den Befürchtungen und Ängsten der Mitarbeitenden sowie ein möglichst solidarischer und gemeinsamer Umgang im Team und in der Trägerorganisation. Das heißt: Betroffene Teams und Träger sollten nicht nur mit Regelungen und baulichen Maßnahmen reagieren, sondern auch Räume für Austausch schaffen, individuelle Grenzen respektieren und regelmäßige Supervision anbieten.

Bedrohungen analysieren und mögliche Szenarien durchspielen

Je nach Arbeitskontext können sich Bedrohungslagen unterschiedlich gestalten und womöglich schnell verändern. Es ist daher hilfreich, sich frühzeitig vorzubereiten und Szenarien durchzuspielen – gerade dann, wenn das Fahrwasser ruhig ist. Das mag zunächst verunsichern, stärkt aber die Handlungskompetenz und bringt Sicherheit im Ernstfall.

Sicherheitsmaßnahmen zum persönlichen Schutz für Mitarbeitende:

  • Veröffentlichung von Namen und Fotos nur nach Rücksprache mit den Mitarbeitenden und nach einer Diskussion im Team
  • Schutz der Privatadressen der Mitarbeitenden und routinemäßige Beantragung einer Auskunftssperre bei der Meldebehörde
  • Verantwortung der Träger und Mittelgebenden: Sicherheitsaspekte müssen Standard werden
  • Anreise zu Terminen (v.a. öffentlichen Veranstaltungen) bestenfalls mit Dienstwagen, nicht allein und nicht mit dem Privatwagen

Sicherung der Arbeitsräume:

  • gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, mehrere Ausgänge, Kontakte in die Nachbarschaft
  • gut zu sichernde Tür, hohe Einbruchsicherheit, Klingel mit Gegensprechanlage, ggf. Türkamera und Alarmanlage
  • Absicherung von einsehbaren Fenstern, bestenfalls nicht in Erdgeschosslage
  • Beachtung der Datensicherheit: Unterlagen verschließen, Tresor für sensible Daten, Verschlüsselung und Festplatten-Backups

Grundsätzlich kommt bei der Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen den Trägern der Mobilen Beratungsteams eine zentrale Rolle zu. Sie können für eine Atmosphäre sorgen, in der Mitarbeitende Ängste und Bedrohungssituationen ansprechen können. Nur so kann ein gemeinsamer und solidarischer Umgang gefunden werden, der bis hin zu juristischer und psycho-sozialer Unterstützung reicht. Eine Herausforderung bleibt, dass Sicherheitsfragen in der Förderpolitik bislang zu wenig beachtet werden. Vielerorts sind schlichtweg keine finanziellen Mittel für Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen. Träger müssen sich also entscheiden, ob sie das Geld für ihre Sicherheit oder doch lieber für Personalstunden der Mitarbeitenden ausgeben. Es darf also nicht bei Aktionsplänen bleiben, sondern braucht konkrete Verbesserungen der Förderbedingungen.


Ausführliche Tipps hat der Bundesverband Mobile Beratung (BMB) gemeinsam mit dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) in der Handreichung „Bedroht zu werden, gehört nicht zum Mandat“ zusammengestellt. Download auf: www.bundesverband-mobile-beratung.de

Weitergehende hilfreiche Hinweise bietet die Broschüre „Wachsam sein. Zum Umgang mit rechten und rechtsextremen Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen“ der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Download auf: www.mbr-berlin.de


Der Artikel erschien zuerst in der März-Ausgabe 2023 des Magazins anspiel. mit dem Schwerpunkt "Gewalt in der Sozialen Arbeit".

 

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