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Soziale Innovation und Freie Wohlfahrtspflege

Symbolbild: Vier Papierflieger vor blauem Hintergrund. Einer der Flieger schlägt einen anderen Weg ein als die restlichen drei. (Worawut - stock.adobe.com)

Die Angebote der Freien Wohlfahrtspflege decken einen großen Teil sozialer Daseinsvorsorge im Freistaat Sachsen ab. Die Angebotsvielfalt reicht dabei von der großen Pflegeeinrichtung bis hin zum kleinen ehrenamtlich getragenen Projekt. Innovationskraft ist dabei ein ständiger Begleiter.

Seit ihrer Entstehung hat die Freie Wohlfahrtspflege auf gesellschaftliche Entwicklungen und Problemlagen reagiert. Genauer gesagt sind es soziale Herausforderungen, derer sich Akteur*innen der freien Wohlfahrt beständig annehmen und dafür stets auch neue Ideen entwickeln. Getragen wird dies vom zivilgesellschaftlichen Engagement Einzelner, denen es bestenfalls gelingt, weitere Menschen zum Handeln zu ermutigen. Dabei entstanden immer wieder neue Strukturen und es wurden Ansätze entwickelt, um Hilfe für Menschen in verschiedensten Lebenslagen zu leisten. Ging es früher primär um die Linderung spezieller Notlagen, steht nun eher die Hilfe zur Selbsthilfe im Mittelpunkt.

Das heutige Angebotsspektrum der Träger und Verbände Freier Wohlfahrtspflege ist also das Ergebnis zahlreicher kleiner und großer Innovationen, die aus der praktischen Arbeit heraus erwuchsen. Beispiele für diese Innovationsleistungen sind unter anderem Mehrgenerationenhäuser als neue soziale Orte, die Hospizarbeit in ihrer heutigen Form oder die ambulante Pflege.

Die ambulante Pflege: Eine soziale Innovation der Freien Wohlfahrtspflege

Die 1960er und 1970er Jahre markieren den Beginn umfassender Bemühungen, als Antwort auf die damaligen gesellschaftlichen Veränderungen eine Pflege außerhalb stationärer Einrichtungen zu entwickeln. Mit dem einsetzenden demografischen Wandel und der Veränderung klassischer Familienstrukturen stieg damals der Bedarf an pflegerischen Leistungen. Hinzu kam der Rückgang kirchlich initiierter Angebote. Diese Entwicklungen machten die Notwendigkeit an professioneller ambulanter Pflege deutlich. Um die breitflächige Versorgung kranker und pflegebedürftiger Menschen sicherzustellen, wurden die Angebote ab den 1970er Jahren professionalisiert und der Aufbau entsprechender Leistungserbringer wurde staatlich gefördert.

Die Freie Wohlfahrtspflege spielte in diesem Prozess eine entscheidende Rolle. Deren Wohlfahrtsverbände konnten auf viele Jahre Erfahrung in der Gemeindepflege zurückblicken und ihre Expertise einbringen. Sie verfügten über den Zugang zu den Zielgruppen sowie Kenntnisse in der praktischen Umsetzung pflegerischer Leistungen. Bereits bestehende Netzwerke und Strukturen in den Gemeinden bildeten zudem die organisatorische Grundlage, um diese ambulanten Angebote auszubauen. Die Freie Wohlfahrtspflege war aus sich selbst heraus in der Lage, auf die neuen Herausforderungen mit neuen Lösungen zu reagieren.

Bis 1995 wurde die ambulante Pflege hauptsächlich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. Aufgrund der weiteren Verschärfung der demografischen Entwicklung wurde 1995 die soziale Pflegeversicherung eingeführt, was zu einem starken Anstieg der Zahl ambulanter Pflegedienste in privater Trägerschaft führte. Insgesamt hat sich diese Struktur dann zu einem bedeutenden Leistungserbringer im deutschen Gesundheitssystem entwickelt, sowohl im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als auch in der sozialen Pflegeversicherung.

Veränderung erfordert Innovationskompetenz

Soziale Innovationen in der Freien Wohlfahrtspflege sind also ein kontinuierlicher und grundlegend notwendiger Prozess, um gesellschaftlichen Veränderungen und sich wandelnden Lebensbedingungen gerecht zu werden. Derzeit findet ein besonders rasanter Wandel in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen gleichzeitig statt. Die Träger Sozialer Arbeit stehen vor großen Transformationsaufgaben. Demografischer Wandel, Digitalisierung und sich verändernde soziale Strukturen bedürfen entsprechender Anpassungsleistung. Weltweite Krisen bringen neue Zielgruppen mit sich und generieren immer neue Bedarfe.

Aus der langjährigen Erfahrung in der praktischen Sozialen Arbeit und der Nähe zu den jeweiligen Zielgruppen sind Kenntnisse über Bedarfslagen gewachsen, aus denen Impulse für soziale Innovationen gesetzt werden können.

Bandbreite an Ansätzen und Erfahrung stärkt Innovationskraft

Dass die Freie Wohlfahrtspflege soziale Innovation kann, ist keine Frage. Betrachtet man allein die zurückliegenden Jahrzehnte, lassen sich unzählige Beispiele dafür finden. Bereits ein Blick auf die Mitgliedsorganisationen unter dem Dach des Paritätischen Sachsen verdeutlicht, wie breit die Ansätze und Ideen zum Umgang mit verschiedenen Lebenslagen sein können. Entscheidend ist hierbei, dass die Motivation in der Regel von Betroffenen, ihnen nahestehenden Personen oder von Fachkräften Sozialer Arbeit ausgeht und sich damit immer eng an den Bedarfen orientiert. Dieses Wissen um die konkreten Bedarfe gepaart mit der Professionalität von Fachkräften bietet den Nährboden für Ansätze und Strukturen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Inwieweit soziale Innovation dann jedoch gelingt, hängt von den Antworten auf verschiedene Fragen ab. Zum Beispiel: In welchem Umfang lassen sich Angebote ehrenamtlich umsetzen? Welcher Grad der Professionalisierung ist notwendig? Wie lassen sich Strukturen finanzieren? Welche Erfahrungen gibt es bereits und wer sind mögliche Partner?

Soziale Innovation braucht nachhaltige Förderung

An Ideen und Fähigkeiten mangelt es der Freien Wohlfahrtspflege und engagierten Bürger*innen nicht, wenn es um die Gestaltung gesellschaftlichen Miteinanders und die Förderung von Teilhabe geht. Das Potenzial ist da. Was sich die Gesellschaft jedoch fragen muss: Wie wollen wir mit Spannungsfeldern unserer Gemeinschaft umgehen und wieviel ist uns das wert?

Nicht zuletzt mit dem Projekt SINN – Zukunftsplattform für soziale Innovation hat der Freistaat Sachsen einen wichtigen Schritt getan, um noch ungenutzte Potenziale zu heben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Ansatz nachhaltig wirken kann und das Projekt auch über den bis jetzt geplanten Zeitraum gefördert wird.

Der Paritätische Sachsen versteht es generell als seinen Auftrag, die soziale Innovation zu unterstützen und hält verschiedene Angebote vor, die eine innovationsfreundliche Organisationskultur stärken. Dazu gehören beispielsweise Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote, Fachberatung sowie die Vernetzung lokaler und regionaler Akteure.

Die Freie Wohlfahrtspflege ist essenziell für die Entwicklung, Umsetzung und Förderung sozialer Innovationen. Durch ihre Netzwerke, ihren Zugang zu den Zielgruppen Sozialer Arbeit, ihre Erfahrung und Expertise können Träger und Spitzenverbände neue Ansätze und Lösungen entwickeln, die nachhaltig positive Veränderungen bewirken.


Sie verstehen sich als sozial Innovativ, haben Ideen, die Sie umsetzen möchten und suchen den Austausch mit anderen Akteur*innen? Nutzen Sie die Angebote des Projektes SINN - Zukunftsplattform für soziale Innovation. Alle Informationen, Angebote und Kontaktdaten finden Sie auf der Projektwebseite: www.sinn-sachsen.de


Der Artikel erschien zuerst in der September-Ausgabe 2024 unseres Verbandsmagazins anspiel. Das Heft befasste sich mit dem Themenschwerpunkt "Soziale Innovation".