Kontaktaufnahme

Trauma oder seelische Belastung? – Hilfebedarfe bei Migrant*innen erkennen

Schatten auf einer Treppe. (Foto: Martin Schemm/ pixelio.de)

Erfahrungen während der Flucht oder im Zuwanderungsprozess können hohe psychische Belastungen für die zugewanderten Menschen mit sich bringen. Mitarbeiter*innen in den Regelangeboten Sozialer Arbeit müssen Anzeichen deshalb deuten können. Wir unterhielten uns darüber mit Dipl. Psychologin Anne Harbig vom Psychosozialen Zentrum Dresden.

Frau Harbig, bitte erklären Sie kurz was ein Trauma und was ist eine seelische Belastung ist?

Anne Harbig: Ein Trauma ist ein massives und ernsthaft bedrohliches Ereignis, das unseren Körper und unsere Psyche überfordert. Die entstehende seelische Belastung zeigt sich u.a. in Angst, Hoffnungslosigkeit, flachem Affekt, Nervosität und Anspannung, Schlaf- und Konzentrationsproblemen. Seelische Belastung kann neben traumatischen Situationen auch von schwierigen Lebenssituationen ausgelöst werden.

Spielt Herkunft und Lebensgeschichte eine Rolle im Umgang mit seelischen Belastungen bzw. Traumata?

Anne Harbig: Persönliche Veranlagung und Lebensgeschichte spielen eine Rolle bei der Entwicklung von psychischer Widerstandsfähigkeit. Menschen, die über viele persönliche und soziale Ressourcen verfügen, sind für den Umgang mit seelischer Belastung besser gerüstet. Traumata sind allerdings Einflüsse, deren Bewältigung hohe Anforderungen stellt. Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund in der Lebensgeschichte haben die Besonderheit, dass sie sehr oft Situationen mit Gewalt, Krieg und Folter ausgesetzt sind oder waren. Es kann zu Traumafolgestörungen wie Depression oder Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) kommen.

Gibt es Unterschiede in bestimmten Lebensphasen z.B. bei Kindern oder bei älteren Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund?

Anne Harbig: Es gibt Ansätze, die davon ausgehen, dass Kinder, Jugendliche sowie ältere Menschen ein höheres Risiko haben nach einem erlebten Trauma eine PTBS zu entwickeln. Zudem sind Frauen deutlich häufiger betroffen. Nach Angaben der Bundespsychotherapeutenkammer leidet etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden erwachsenen Flüchtlinge unter einer Traumafolgestörung.

Wie können Fachkräfte der sozialen Arbeit ohne spezielle Kenntnisse erkennen, ob jemand von Traumata oder seelischen Belastungen betroffen ist?

Anne Harbig: Aus Berichten und Verhalten der Klient*innen kann meist gut eingeschätzt werden, ob diese traumatische Ereignisse erlebt haben und wie stark sie seelisch belastet sind. Oft berichten sie von Schmerzen, Schlafproblemen, körperlichen Beschwerden und Problemen, sich zu konzentrieren. Sollten darüber hinaus Symptome wie das unwillkürliche Erinnern und Wiedererleben des Traumas, Verflachung der Gefühle, Verdrängung und Übererregung auftreten, kann das für eine Traumafolgestörung sprechen. Ob das Vollbild einer Störung vorliegt muss natürlich von psychotherapeutischem Fachpersonal diagnostiziert werden.

Wie kann ich reagieren wenn ich bei Menschen, die ich in meiner Einrichtung berate oder betreue, eine seelische Belastungen bzw. ein Trauma bemerke?

Anne Harbig: Menschen mit seelischer Belastung brauchen Sicherheit. Die Stabilisierung der Lebensbedingungen ist die wichtigste Voraussetzung für die Verarbeitung von Traumata. Wichtig sind klare Grenzen und Transparenz. Freundlichkeit, Empathie, eine beruhigende Umgebung sowie die Förderung von Ressourcen sind sehr wertvoll. Bei Auftreten von massiven Problemen ist es wichtig, in psychotherapeutische Behandlung zu vermitteln.

Sie bieten Schulungen zu diesen Themen an. An wen richtet sich Ihr Angebot?

Unser Schulungsangebot zum psychologisch- und kultursensiblen Umgang mit traumatisierten Geflüchteten ist kostenfrei und richtet sich an Haupt- und Ehrenamtliche im Asyl- und Fluchtbereich, in allen Hilfsangeboten der Regelversorgung sowie an Träger und Behörden. Wir freuen uns, wenn Träger sozialer Arbeit auf uns zukommen und ihre Mitarbeiter*innen arbeitsfeldübergreifend für die Themen sensibilisieren. Das hilft den Betroffenen und den Fachkräften.


Das Psychosoziale Zentrum Dresden (PSZ) unseres Mitglieds DAS BOOT gGmbH ist eines von drei Psychosozialen Zentren in Sachsens in dem seelisch belastete Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund kostenfreie psychologische und psychosoziale Beratung erhalten. Zudem bietet das PSZ auch Schulungen zum psychologisch- und kultursensiblen Umgang mit Menschen mit seelischen Belastungen und Migrationshintergrund an.

Mehr zum PSZ erfahren Sie unter: www.psz-sachsen.de


Informationen und Unterstützung zu diesen oder anderen Themen der Vielfalt in der Organisationsentwicklung können Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Sachsen durch die „Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität (PariFID)“ erhalten. Sie begleitet Veränderungsprozesse und berät.

Jetzt mehr erfahren...