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Umbauen für Barrierefreiheit - Erfahrungen der Laborschule Dresden

Zwei Schülerinnen stehen vor der Klasse und tragen etwas vor. Die Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer hören aufmerksam zu.

Um bauliche Barrierefreiheit zu erreichen, müssen Bauherren schon vor der eigentlichen Baumaßnahme einen gewissen Weitblick beweisen. Die Laborschule des Omse e.V. in Dresden hat jetzt einen Aufzug und dabei weit mehr hinzugewonnen als nur die problemlose Beförderung zwischen den Stockwerken.

Wer das Gelände der Laborschule betritt, kann nur erahnen, dass sich hinter den freundlichen Fassaden der beiden Schulgebäude Plattenbauten aus den letzten Jahren der DDR verbergen. Der Schulträger hat den Standort seit seiner Übernahme im Jahr 2004 stetig weiterentwickelt und baulich ertüchtigt. „Bei allen baulichen Tätigkeiten standen sowohl unser pädagogisches Konzept Pate als auch der Wille, weitgehende Barrierefreiheit zu erreichen. Wir wussten aber, dass der Weg zu einem inklusiven Gebäude einen langen Atem braucht“, erklärt Schulleiter Stephan Schulze.

Einen wichtigen Schritt ging die Laborschule im vergangenen Schulhalbjahr mit dem Einbau eines Aufzugs. Ausgangspunkt war der Wunsch nach einer räumlichen Verbindung zwischen den bestehenden Gebäuden, bei der Höhenunterschiede zwischen den Etagen ausgeglichen werden mussten.

Langfristige Perspektiven einnehmen und alle Akteure Beteiligen

Doch Zeitdruck ist selten ein guter Berater. Deshalb sollte für den Vorlauf, aber auch die Durchführung selbst ausreichend Spielraum eingeplant werden. Am Bauprozess sind viele Akteure beteiligt, deren Perspektiven gehört werden sollten. Die Laborschule organisierte deshalb regelmäßige Treffen aller Beteiligten. Andreas Schaefer, einer der geschäftsführenden Vorstände des Schulträgers, berichtet dazu: „Dort kamen unter anderem der Architekt, der Brandschutzplaner und auch Personen anderer Fachämter wie beispielsweise dem Arbeitsschutz zusammen. Von schulischer Seite waren der Schulleiter, die Leiterinnen der einzelnen Stufen und unser Baukoordinator dabei. In diesem Zusammenspiel entstanden oft kreative Ideen, auf die man als Gebäudebetreiber alleine nicht gekommen wäre.“

Vergleichbare Runden sind insbesondere in der Anfangsphase durchaus zeitintensiv. Sie sind aber notwendig, sollte sich beispielsweise dabei herausstellen, dass die sukzessive Ertüchtigung von denkmalgeschützten Gebäuden viel zu teuer werden würde und ein Neubau deshalb eher in Frage käme. Zudem spielen generelle Überlegungen zum Raumkonzept, das eng mit den pädagogischen Überlegungen zur Alltagsgestaltung verknüpft sein muss, eine große Rolle.

Besonders hilfreich ist es zudem, Menschen mit Behinderungen einzubeziehen. Aus dem Kontakt zu Inklusionsbeauftragten der Stadt oder Kommune sowie zu Organisationen von Menschen mit Behinderungen können wichtige Hinweise einfließen. „Beim nächsten Bauvorhaben werden wir stärker darauf achten, schon im Vorfeld zukünftige Nutzerinnen und Nutzer und ihre Perspektive einzubeziehen. Denn wir mussten feststellen, dass es Barrieren gibt, die wir gar nicht als solche identifiziert haben“, resümiert Andreas Schaefer.

Genauso kann der Austausch mit anderen Schulträgern, die gleiche oder ähnliche Bauvorhaben bereits realisiert haben, wertvolle Tipps bieten und dazu beitragen, Fallstricke zu umgehen.

Baubegleitung – ein Muss

Soll ein Bauvorhaben gelingen, muss der Prozess gut durchmoderiert und von einer dialogischen Grundhaltung aller Beteiligten getragen sein. So können selbst die kleinsten Schritte, aber auch die großen Meilensteine als Erfolge auf dem Weg wahrgenommen und kommuniziert werden. Schulleiter Schulze lächelnd dazu: „Eine gewisse Gelassenheit kann sich selbst bei einem Bau im laufenden Schulbetrieb einstellen, wenn Verantwortlichkeiten und Kommunikationsabläufe klar definiert sind.“

Eine externe Prozessbegleitung, die unter Kenntnis von geltenden Vorgaben, Verordnungen und Gesetzen auf Landes- und Bundesebene handelt, ist somit dringend anzuraten. So wird ein inklusiver Bauerfolg möglich, bei dem die Infrastruktur für alle Nutzergruppen Vorteile bringt.

Baubegleitung und der Dialog mit allen Akteuren schützen jedoch nicht in Gänze davor, Fehler zu begehen. Eine dementsprechende Fehlerkultur ist in einer Schulgemeinschaft unerlässlich, wenn am Ende eines Bauvorhabens niemand ausgelaugt zurückbleiben soll.

Finanzierung vollständig durchdenken

„Die Finanzierung des Vorhabens war nicht leicht, aber machbar“, erinnert sich Vorstandsmitglied Schaefer. „Wir haben uns über mehrere Fördermöglichkeiten informiert und konnten unser Vorhaben schließlich über das Programm ‚Soziale Stadt‘ umsetzen. Zudem haben wir noch Eigenmittel über einen Kredit eingebracht.“ Allerdings dürfe man nicht nur die reinen Baukosten sehen. Im Fall des Aufzugs entstünden beispielsweise Folgekosten für die regelmäßige Prüfung und Wartung sowie den Notruf.

Die Aufbringung dieser  Gelder verbleibt beim Träger und muss im Haushalt eingeplant werden. Diese Mittel stehen dann nicht der pädagogischen Arbeit zur Verfügung. Außerdem gibt es konkurrierende Anforderungen von Brandschutz, gegebenenfalls Denkmalschutz und Barrierefreiheit. Hier müssen die jeweiligen Ziele austariert werden, um zwischen Gebäudenutzung und -sicherheit sowie der Ästhetik einen Ausgleich zu schaffen.

Sichtbare Fortschritte, die allen nutzen

In der Laborschule gibt es nun eine rollstuhlgerechte Grundausstattung. Sie besteht aus einem straßen- und einem hofseitigen Zugang sowie dem freien Zugang zu allen Etagen und Räumen. Zudem befinden sich in jedem der beiden Gebäude behindertengerechte Toiletten.

Nicht nur Schüler(innen) und Lehrkräfte profitieren von der neu gewonnenen Freiheit. Die neue schulische Infrastruktur steht ebenso für Gäste offen – sei es als Wahllokal, zum Tag der offenen Tür, zur Schuleinführung oder für eine Projektwoche rollstuhlfahrender Rugbyspieler.

„Alle freuen sich mit, wenn ein weiterer Schritt gemacht wurde. Allerdings bleibt noch einiges zu tun. Ich denke da an die viel zu steilen Rampen an unserer Turnhalle. Barrierefreiheit kann eben nicht von heute auf morgen entstehen. Gleichzeitig sind die kleinen Schritte nützlich, um sich nicht zu verzetteln und vorausschauend für die nächsten Bauphasen zu planen“, ist Stephan Schulze überzeugt.


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 2.2017 des Verbandsmagazins anspiel.