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UN-Behindertenrechtskonvention: Es bleibt noch viel zu tun

Eine junge Frau fährt mit ihrem Rollstuhl durch Menschenmassen auf einem Weihnachtsmarkt. (Foto: Andy Weiland/ Gesellschaftsbilder.de)

Im August 2023 fand die Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) statt. Die Ergebnisse sind ernüchternd und verdeutlichen den großen Handlungsbedarf hinsichtlich der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, kommentiert Anne Cellar, Referentin Teilhabe.

Ein unabhängiges Fachgremium prüfte in den zurückliegenden Monaten die Umsetzung der UN-BRK und veröffentlichte nun seinen Bericht für die Bundesrepublik. Einer halben Seite positiver Anmerkungen folgen 15 Seiten Kritik. Die UN-BRK findet in Deutschland noch zu wenig Beachtung. Nach wie vor bestehen in unserer Gesellschaft strukturelle Barrieren, die Menschen mit Behinderung darin einschränken, ihre Rechte vollständig wahrzunehmen. Hauptkritikpunkte bleiben, die mangelnde Inklusion im Bildungssystem, der Fortbestand von Sonderstrukturen sowie die noch zu geringe Beteiligung der Expert*innen in eigener Sache.

Obwohl der Bund kleine Schritte geht, sind die spürbaren Effekte übersichtlich. Hat die Vorgängerregierung schon nicht viel bewegt, so lässt die Ampelkoalition ebenfalls mit messbaren Ergebnissen auf sich warten.

Sachsen: Kleine Schritte und noch weit zu gehen

Kritische Worte findet der Bericht für die Umsetzung auf Landesebene. Besonders Sachsen schneidet im Vergleich der Bundesländer nicht gut ab. Insbesondere bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes hinkt der Freistaat hinterher. Generell lässt der Freistaat wenig Interesse daran erkennen, die Inklusion in den Bereichen Bildung, Wohnen, Arbeit oder Freizeit vorantreiben zu wollen.

Im Gegenteil, schulische Inklusion wird hinter vorgehaltener Hand als gescheitert angesehen. Barrierefreier Wohnraum? Behindertengerechte Zugänge zu Arztpraxen oder in den ÖPNV? Der Fortschritt ist übersichtlich. Selbst gesetzlich verbriefte Leistungen zur sozialen Teilhabe werden nur spärlich oder unter Auflagen gewährt. Die Liste der noch immer bestehenden Benachteiligung ist lang.

Baustelle Bundesteilhabegesetz – Ergebnisse liefern, die auch ankommen

Und dann ist da die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Die Einigung auf das neue Leistungssystem verläuft sehr mühsam, obwohl man den Mitgliedern der dafür zuständigen Kommission nach §131 SGB IX nicht absprechen kann, nach Lösungen zu suchen. Zumindest beim Ziel sind sich alle einig: Jeder Mensch mit Behinderung, chronisch psychischer Erkrankung oder Suchterkrankung soll nach seinem individuellen Bedarf selbstbestimmt Leistungen beziehen können. Die Leistungserbringer haben dabei immer die praktische und qualitative Umsetzung im Blick. Die Kostenträger wiederum sind bestrebt, die dafür anfallenden Kosten im Rahmen des Leistbaren zu halten. Kostenträger und Leistungserbringer ringen um jede Entscheidung.

Jede einzelne Leistung wird beschrieben, Qualitätsmerkmale definiert, Personalschlüssel festgelegt. Neue Bedingungen und Leistungsbeschreibungen sollen in den nächsten Monaten erprobt werden, damit dann in ganz Sachsen das neue System angewandt werden kann. Um den Prozess zu beschleunigen, wünschen sich die Beteiligten Unterstützung. So wäre eine Art Schirmherrschaft vorstellbar. Eine Vertretung der Menschen mit Behinderung oder das zuständige Ministerium könnten ein Wächteramt einnehmen. Ziel muss sein, die noch anstehenden Aufgaben in den kommenden zwei Jahre zu stemmen.

Tempo aufnehmen und Ideen umsetzen

Ein Wegducken der Entscheidungsträger wird immer schwieriger, denn das Selbstbewusstsein von Menschen mit Behinderungen ist gestiegen und sie fordern ihre Rechte mehr ein. Gut so. Träger und Einrichtungen machen sich ebenfalls auf den Weg und schaffen neue innovative Leistungen und Projekte. Die Fachkräfte beteiligen die Menschen aller Altersgruppen und Lebenslagen vielerorts schon heute und stärken deren Selbstbestimmung. Sie sehen, was jeder Mensch der Gesellschaft geben kann, wenn sie oder er die Möglichkeit erhält.

Vielleicht bringt die Staatenprüfung frischen Wind in die Diskussion und Bewegung ins System. Denn einmal mehr wird deutlich, dass die Zeit der Lippenbekenntnisse vorbei ist. Es braucht Rahmenbedingungen die klar in ihren Vorgaben sind und gleichzeitig Handlungsspielraum eröffnen. Hinzu kommt, dass Einrichtungen und Dienste gewillt sind, den Weg vom Versorgen zum personenzentrierten Handeln weiterzugehen. Der Pool an Erfahrungen und Ideen unter dem Dach des Paritätischen Sachsen ist in dieser Hinsicht groß. Neben der Mitwirkung in der Kommission nach SGB IV und sozialpolitischen Initiativen wird der Verband daher noch stärker darauf setzen, die Vernetzung und den Austausch der Mitglieder untereinander zu fördern. Frei-gemeinnützige Organisationen schafften es in der Vergangenheit immer wieder, Lösungen zu kreieren, die gesellschaftliche Teilhabe nach vorne gebracht haben. Das kann auch hier gelingen.


Kontakt:

Anne Cellar (Referentin Teilhabe/ WfbM)

Tel.: 0351 – 828 71 150
E-Mail: anne.cellar(at)parisax.de

 

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