Über Migration und Integration wird gesellschaftlich und politisch intensiv diskutiert. Welche Angebote der sozialen Arbeit notwendig sind, damit Integration vor Ort gelingt, ist eines der verbandlichen TOP-Themen für das Wahljahr 2024. Wir sprachen darüber mit Hendrik Kreuzberg, Referent für Migration.
Herr Kreuzberg, wenn es um Migration geht, werden aktuell vor allem Probleme benannt. Die politischen Debatten drehen sich um Obergrenzen, Belastungen der Kommunen und Grenzkontrollen. Warum sollte Politik die Integration in Sachsen mehr als bisher fördern?
Hendrik Kreuzberg: Ja, aktuell ist der Ruf nach einer Begrenzung von Migration in Sachsen sehr laut. Meiner Meinung nach wird zu wenig über die Menschen gesprochen, die bereits hier sind - über ihre Hürden bei der Integration, ihre ganz unterschiedlichen Biografien und die sich daraus ergebenden Unterstützungsbedarfe. Soziale Angebote helfen dabei, hier wirklich anzukommen, statt einfach nur da zu sein. Von guten Integrationsangeboten profitieren alle Zugewanderten: Geflüchtete, EU-Bürger*innen und auch internationale Arbeitskräfte. Sachsen braucht Zuwanderung und sollte die Potenziale der hier lebenden Menschen noch besser nutzen. Wenn wir in Integration investieren, dann ist das auch gut für den Arbeitsmarkt sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Letztlich profitieren davon alle Sächsinnen und Sachsen!
Sachsen steht kurz davor ein eigenes Integrations- und Teilhabegesetz zu verabschieden. Derzeit berät der Sächsische Landtag über den Gesetzentwurf, der noch vor der Landtagswahl beschlossen werden soll. Wie schätzen Sie diesen ein?
Hendrik Kreuzberg: Das geplante Gesetz geht in die richtige Richtung, denn Integration wird erstmals als eine wichtige Zukunftsaufgabe benannt. Verantwortlichkeiten zwischen Kommunen und dem Land werden verbindlicher geregelt. Das ist wichtig, denn bisher hat Integration in den sächsischen Regionen einen sehr unterschiedlichen Stellenwert. Anders als die Unterbringung Asylsuchender ist die soziale Unterstützung und Begleitung der hier ankommenden Menschen keine Pflichtaufgabe. Wie Integration gestaltet wird, hängt demnach von den Prioritäten in den Kommunen und oft auch von den politischen Mehrheiten ab. Doch das reicht nicht aus. Der Freistaat und die Kommunen müssen ihre Verantwortung für eine gelingende Zuwanderung mehr als bisher wahrnehmen. Mit dem aktuellen Gesetzentwurf wird nur die Finanzierungsverantwortung der Landesebene verbindlich geregelt.
Also brauchen wir bis zum Jahr 2030 mehr, als der Gesetzentwurf für ein Integrations- und Teilhabegesetz vorsieht?
Hendrik Kreuzberg: Ganz eindeutig, ja! Die Kommunen müssen mehr in die Pflicht genommen werden, Integration vor Ort aktiv mitzugestalten. Sie wissen genau, welche Angebote notwendig sind, denn sie sind der Lebensort der Menschen und ihre neue Heimat. Es geht dabei zum Beispiel um passende Beratungsangebote, Sprachförderung, Unterstützung bei der Wohnungssuche, einem Kitaplatz bis hin zur Beantragung des eigenen Bibliotheksausweises. Und natürlich geht es auch um gesellschaftliche Teilhabe, sei es als Mitglied im Sportverein, durch ein Ehrenamt oder politische Mitwirkung. Damit Integration in allen sächsischen Kommunen gelingen kann, muss sie zur kommunalen Pflichtaufgabe erklärt werden. Dafür sind aber auch Finanzierungsfragen zu lösen. Es muss klarer geregelt sein, wer was zahlt, damit Integration nicht von der Kassenlage abhängig bleibt.
So soll Integration in Sachsen bis 2030 gestaltet sein:
- Verlässliche Integrationsangebote in allen Regionen Sachsens.
- Verpflichtend gesetzlich geregelte Zuständigkeiten für Integrationsaufgaben auf Landes- und kommunaler Ebene.
- Für gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancengleichheit sind klar definierte, vergleichbare Standards und die entsprechende Finanzierungsverantwortung zwischen Land und Kommune gesetzlich zu regeln.
Lesen Sie hier das Positionspapier "Integrationsgesetz: Verlässliche Integrationsangebote in allen Regionen sicherstellen".
Kontakt:
Hendrik Kreuzberg (Referat Migration)
Tel.: 0351 – 828 71 145
E-Mail: hendrik.kreuzberg(at)parisax.de
Das Interview führte Tina Siebeneicher, Referentin für Verbandskommunikation.