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Verpflegungsbudgets in sächsischen Jugendhilfeeinrichtungen eng bemessen

Ein Mädchen sitzt an einem Tisch mit Gemüse und Obst und betrachtet ein Tablet. (Foto: Spectral Design/ fotolia.com)

Stationäre und teilstationäre Jugendhilfeeinrichtungen in Sachsen müssen die Heranwachsenden mit nur rund fünf Euro täglicher Verpflegungspauschale versorgen. Ob und wie das in der Praxis gelingt, erhob das Projekt „Powerfood – Ernährung in Jugendhilfeeinrichtungen“ in einer sachsenweiten Befragung.

Anja Schindhelm, Projektkoordinatorin von Powerfood, ist erfreut über den guten Rücklauf der Umfrage, an der sich sachsenweit über 70 stationäre und teilstationäre Jugendhilfeeinrichtungen mit insgesamt knapp 1.200 Betreuungsplätzen beteiligten. „Die Befragung und Gespräche mit den Trägern haben gezeigt, dass Ernährung eine große Rolle in den Einrichtungen spielt. Gesundes Essen und dessen selbstständige Zubereitung sind wichtige Bestandteile im Tagesablauf.“

Nachdem das Projekt durch Speiseplanprotokolle einen Ist-Stand der Verpflegungssituation in den Einrichtungen ermittelt hatte, erfolgte im Frühsommer eine Befragung in sächsischen Jugendhilfeeinrichtungen der Hilfen zur Erziehung. Dabei wurden die Verpflegungsbandbreite und die verfügbaren Verpflegungsbudgets erhoben.

Zusammen essen spielt wichtige Rolle

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Mahlzeitengestaltung sowohl in der Woche als auch am Wochenende vergleichbar einem familiären Rahmen erfolgt. Das Frühstück und das Abendessen werden oft gemeinsam eingenommen. Insbesondere am Abend essen 70 Prozent der Pädagog*innen zusammen mit den Kindern und Jugendlichen. „Das Beisammensein während der Mahlzeiten bietet sich an, um miteinander ins Gespräch zu kommen und den Tag zu reflektieren. Familiären Strukturen ähnlich kann so Bindung und Vertrauen gestärkt werden“, sagt die Projektkoordinatorin.

Beim Mittagessen ist das Bild geteilt. Die Hälfte der Kinder und Jugendlichen nimmt das Mittagsangebot in der Kita oder der Schule wahr. Die anderen 50 Prozent essen mittags in ihrer Gruppe oder in der Tagesgruppe.

Essenauswahl und Zubereitung mitgestalten

Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen wird in allen Einrichtungen gelebt. Etwa 85 Prozent der Einrichtungen gaben an, die Essenplanung immer bzw. häufig gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen zu gestalten. Das heißt, dass auch die Lieblingsessen der Kinder und Jugendlichen immer wieder Berücksichtigung finden können. Anja Schindhelm merkt an: „In vielen Fällen werden die Kinder und Jugendlichen beim gemeinsamen oder - je nach Alter - selbstständigen Einkaufen der Lebensmittel sowie beim Kochen und Backen beteiligt. Selbstwirksamkeitserfahrungen und der bewusste Umgang mit Lebensmitteln gehen hierbei Hand in Hand.“

Die meisten Einrichtungen setzen im Alltag Ernährungs- und Verbraucherbildung um und versuchen so, auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung hinzuwirken. Dies findet oft in Gesprächen während des Einkaufens oder des Kochens statt. Ebenso werden sowohl Mitarbeitende thematisch geschult als auch von den Einrichtungen Ernährungsberatungen in Anspruch genommen.

Aktuelle Verpflegungspauschalen zu eng bemessen

Die Verpflegungspauschale pro Kind bzw. Jugendlichem/Jugendlicher und Tag beträgt in Sachsen etwa fünf Euro. Allein die drei kreisfreien Städte und der Landkreis Görlitz liegen leicht darüber. Davon sind rund zwei Euro für die Verpflegungskosten in der Kita oder das Schulessen vorgesehen. Kostet das Essen dort nachweislich mehr, kann der Mehrbetrag zusätzlich anerkannt werden. Die Befragung zeigt jedoch, dass diese Möglichkeit bisher nur wenig bekannt ist und daher kaum von Einrichtungen genutzt wird.

Geht man von Essensbeiträgen in Kita und Schule von täglich zwischen 1,95 Euro und bis zu 3,80 Euro aus, verbleiben für Frühstück und Abendessen zusammen schlimmstenfalls weniger als 1,50 Euro am Tag. „Selbst wenn Einrichtungen nur zwei Euro aus der Tagespauschale für die Verpflegung in Kita oder Schule aufbringen müssen, erscheinen drei Euro für zwei Mahlzeiten sehr eng kalkuliert. Dass reicht nach Einschätzung der Einrichtungen nur knapp zum satt werden. Leben aber nur Jugendliche und keine Kinder in der Einrichtung, ist auch das kaum möglich, da Jugendliche schlicht größere Portionen zum sattwerden benötigen als kleine Kinder“, gibt Anja Schindhelm zu bedenken.

Lebensmittelkörbe sollen Pauschalen auf valide Basis stellen helfen

Die Befragung verdeutlicht, dass es unter den gegenwärtigen Bedingungen schwierig ist, den Kindern und Jugendlichen gesunde Ernährungsgewohnheiten zu vermitteln. In Gesprächen und Arbeitsgruppen diskutierten Träger daher mehrfach, wie gesunde Ernährung in den Einrichtungen gelingen kann. Zusammen mit den Trägern entwickelt das Projekt derzeit altersangepasste Lebensmittelkörbe sowie Rahmenkriterien für die Umsetzung gesunder Ernährung in (teil)stationären Jugendhilfeeinrichtungen. „Die Lebensmittelkörbe geben nicht nur Auskunft über wichtige Ernährungsbestandteile für die Heranwachsenden, sondern ermöglichen zudem die Ableitung der dafür notwendigen Kostensätze. Die theoretischen Vorarbeiten sind weitgehend geleistet und wir gehen in der ersten Jahreshälfte 2019 mit einigen Einrichtungen in den Praxistest. Im Sommer 2019 wollen wir die Ergebnisse vorstellen und den Trägern als Hilfestellung anbieten“, beschreibt Anja Schindhelm das weitere Vorgehen des Projektes.


Kontakt:

Anja Schindhelm, Projektkoordinatorin
Tel.: 0351/ 491 66 79
E-Mail: anja.schindhelm(at)parikom.de


Das Projekt "Gesunde altersgerechte und kostenbewusste Ernährung von Kindern und Jugendlichen in teilstationären und stationären Jugendhilfeeinrichtungen in Sachsen" (kurz: Powerfood – Ernährung in Jugendhilfeeinrichtungen) wird von den Ersatzkassen in Sachsen (vdek) gefördert. Projektträger ist die parikom – Paritätisches Kompetenzzentrum für soziale Innovation GmbH, die in Kooperation mit dem Paritätischen Sachsen sowie der LSJ Sachsen e.V. arbeitet.

Link: Erfahren Sie mehr über Powerfood