Kontaktaufnahme

Vielfalt in der Personalentwicklung - Barrieren abbauen, Zugänge schaffen

Spielfiguren verschiedener Farben stehen bunt vermischt auf einem weißen Untergrund. Sie symbolisieren Vielfalt, Miteinander und Integration.

Rund 200 Organisationen haben sich mittlerweile der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen. In einer Videokonferenz warfen sie einen selbstkritischen Blick auf die eigene Personalentwicklung. Ein persönlicher Bericht von Nicole Börner.

„Wir unterstützen jede einzelne Person darin, selbstbestimmt zu leben“, lautet einer der zentralen Sätze in der gemeinsamen Erklärung. Doch inwieweit wird das in der täglichen Praxis tatsächlich gelebt? Unter der Überschrift „Vielfalt in der Personalentwicklung – Barrieren abbauen, Zugänge schaffen“ tauschten sich Vertreter*innen aus 15 Organisationen darüber aus. Ich moderierte die Videokonferenz und habe einige Erkenntnisse zusammengefasst, die mir persönlich besonders einprägsam waren.

Jede Organisation ist per se vielfältig, da sie immer aus verschiedenen Individuen besteht. Sich dieser Vielfalt bewusst zu werden und damit umzugehen, ist die eigentliche Aufgabe. Hier lohnt es sich, Ausschau zu halten, inwieweit sich gesellschaftliche Vielfalt in der eigenen Organisation wiederspiegelt

Menschen mit Behinderung als Teil des Teams

Die Inklusion von Menschen mit Behinderung wurde in den letzten Jahren viel diskutiert und es gibt mittlerweile viele Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten, um beispielsweise eine bedarfsgerechte Arbeitsumgebung zu schaffen. Problematisch ist allerdings, wenn Arbeitgeber*innen oder Kolleg*innen davon ausgehen, dass die gute Arbeitsplatzausstattung eine Behinderung vollständig ausgleicht. Bei Beschäftigten mit Behinderung kann dadurch ein enormer Leistungsdruck entstehen.

Die Besonderheiten einer bekannten Behinderung hinsichtlich der Beschäftigung zu erfragen, ist nicht per se unhöflich. Das Wissen um beidseitige Erwartungen und Bedarfe hilft, Missverständnisse zu vermeiden und sorgt bei allen Beteiligten für Klarheit im Arbeitsalltag. Vielmehr geht es darum, die defizitorientierte Brille symbolisch abzusetzen und sich auf die besonderen Talente und Fähigkeiten der jeweiligen Person zu konzentrieren.

Menschen sind mehr als ihre Flucht-/ Migrationsgeschichte

Ähnlich verhält es sich bei Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte. Eine verengte Sicht allein auf migrations- oder fluchtbedingten Eigenschaften verliert den Menschen als Individuum aus dem Blick.

Insbesondere die Einarbeitung von Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte kann aber durchaus komplex sein, da sie ihre ganz eigenen Erfahrungen und Lebensgeschichten mitbringen. Vielfalt ist ein wechselseitiger Prozess des sich Einlassens und Öffnens aller Beteiligten. Das bedeutet auch, sich als Arbeitgeber*in eventueller Belastungen bewusst zu werden, wie sie beispielsweise durch einen ungeklärten Aufenthaltsstatus entstehen können.

Dabei dürfen nicht die Chancen übersehen werden, die ein Team aus Menschen unterschiedlicher Herkunft mit sich bringt, z.B. Angebote neu zu gestalten oder neue Partner*innen für die Organisation zu gewinnen.

LSBTIQ* - nicht sichtbar und doch da

LSBTIQ* sind Menschen, die sich selbst als lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich oder queer verstehen. Arbeiten hat nichts mit Sex zu tun, aber sehr wohl mit der eigenen Lebensrealität. Der Urlaubsbericht am Mittagstisch oder die Einladung mit Partner*in zur Betriebsfeier kann für nichtheterosexuelle Menschen zum Problem oder gar zur psychischen Belastung werden. Organisationen sollten daher allen Beschäftigten ein Gefühl von Akzeptanz ihrer jeweiligen Lebenssituation vermitteln. Denn Schweigen und Verheimlichen ist ein sehr anstrengender Prozess.

Das Bewerbungsverfahren ist für transgeschlechtliche Personen oft schon eine große Herausforderung, weil Urkunden und Zeugnisse teilweise nicht mit dem aktuellen Namen übereinstimmen. Bildungseinrichtungen und vorherige Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Urkunden zu ändern.

Kleine Schritte zur gelebten Vielfalt

Das Bewerbungsverfahren kann für Menschen in bestimmten Lebenslagen eine besondere Hürde darstellen. Anonymisierte Verfahren können helfen. Familienstand, Geburtsdatum und –ort, Geschlecht oder gar das Foto sind für die Besetzung der meisten Stellen vollkommen uninteressant, aber sie füttern die Bilder in unseren Köpfen. Eine neutrale und unbeteiligte Person der Organisation könnte die persönlichen Daten und ggf. das Foto vor der Sichtung der Unterlagen von den Bewerbungen abtrennen.

Nicht neu, aber noch zu wenig gelebt wird die Erkenntnis, dass Personalentwicklung Zeit und Geduld braucht. Gespräche und eine vertrauensvolle Atmosphäre bilden hierbei eine wesentliche Grundlage. Denn nur so lassen sich gemeinsam Wege für die gute und respektvolle Zusammenarbeit finden.

Ja, es darf auch mal etwas schief gehen. Im Zweifelsfall kann man sich trennen, aber hat eine neue Erfahrung gewonnen. Doch bitte dann nicht verallgemeinern. Denn nur weil es mit einem Mitarbeitenden mit Behinderung, mit Flucht- oder Migrationsgeschichte oder LSBTIQ* nicht funktioniert hat, heißt dies nicht, dass dies für alle Menschen aus diesen doch auch recht willkürlich zusammengefassten Gruppen gilt. Wir alle sind einzigartig und verschieden, mehr oder weniger belastbar, mehr oder weniger kommunikativ und erledigen Aufgaben mehr oder weniger gern.

Jetzt werden Sie vielleicht denken: Was war daran neu? Ich möchte Sie einladen, sich selbst zu fragen: Wie leben wir Vielfalt in unserer Organisation und was können wir noch verbessern?


Die Autorin: Nicole Börner ist Referentin der Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität. Sie berät und begleitet soziale Organisationen bei der vielfaltsorientierten Personal- und Organisationsentwicklung.

Kontakt:

Nicole Börner
Tel.: 0351/ 828 71 152
E-Mail: nicole.boerner(at)parisax.de