Unter dem Titel "Vielfalt ohne Alternative: Gegen rechte Demagogen – für eine solidarische Politik" verabschiedete der Verbandsrat des Paritätischen Gesamtverbandes eine Resolution, die sich zu demokratischen Grundwerten und Menschenrechten bekennt. Er stellt sich darin zudem gegen den Trend der zunehmenden sozialen Ungleichheit und Unsicherheit, die er als eine Ursache für rechtsradikale und rassistische Umtriebe im Wahljahr 2017 sieht.
Der Paritätische steht für eine demokratische, offene, vielfältige und tolerante Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwürdig teilhaben und Schutz erfahren. Mit großer Sorge beobachten wir, dass Deutschland auseinanderdriftet – nicht nur sozial, sondern auch politisch. Aus unserer Sicht ist das eine untrennbar vom anderen.
Deutschland ist so reich wie nie. Der Wohlstand wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Firmengewinne steigen. Gleichzeitig sind Einkommen, Vermögen, Teilhabe- und Bildungschancen immer ungleicher verteilt. Immer mehr Menschen haben am wachsenden Wohlstand keinen Anteil mehr, haben kein Vermögen oder sogar Schulden. Verschärft wird die Situation in vielen Kommunen durch eine wachsende öffentliche Armut, wo seit Jahren am Allernotwendigsten gekürzt wird: Öffentliche Bäder und Bibliotheken, Instandhaltung von Schulgebäuden, Angebote für die Jugend und Beratungsstellen aller Art. Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum und die Sozialversicherungen – von der Arbeitslosenversicherung bis zur gesetzlichen Rente – bieten immer seltener auskömmlichen Schutz und Absicherung.
Es gibt außerdem eine Situation zunehmender sozialer Spaltung und Ungleichheit und einer daraus resultierenden Stimmung sozialer Verunsicherung vieler Menschen. Vor diesem Gesamthintergrund reichte offensichtlich die Ankunft der Menschen, die in den letzten beiden Jahren in Deutschland Zuflucht suchten, um Deutschland auch politisch auseinanderdriften zu lassen, um Rassismus und Aggression hochkommen zu lassen und jene auf den Plan zu locken, die mit nationalistischen fremdenfeindlichen Parolen erfolgreich sein wollen.
Beide Phänomene – wachsende Ungleichheit und wachsender Rechtspopulismus – beunruhigen uns zutiefst. Es sind letztlich zwei Seiten einer Medaille: Es waren und sind die sozialen Ängste und die soziale Unsicherheit, die heute Menschen in erschreckend großer Zahl dazu veranlasst, sich Demagogen am rechten Rand zuzuwenden, die mit diesen Ängsten ihr perfides Spiel treiben, die den politischen und sozialen Konsens in Deutschland infrage stellen und keine Lösungen, sondern bestenfalls Scheinlösungen anbieten.
Denn absolut klar ist: Nicht die Geflüchteten haben die Probleme gebracht. Auch vorher fehlten hunderttausende Wohnungen, die für Menschen mit kleinem Geldbeutel bezahlbar wären. Doch fehlt bis heute eine überzeugende Initiative des sozialen Wohnungsbaus. Auch vorher waren seit Jahren rund eine Million Menschen langzeitarbeitslos. Doch fehlt bis heute ein öffentlicher Beschäftigungssektor, der auch denen die Möglichkeit gibt, sich ihr Geld zu erarbeiten, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum noch eine Chance haben. Keine auch noch so restriktive Flüchtlingspolitik würde an diesen Problemen heute etwas ändern. Die Probleme wären auch da, wenn Deutschland im Sommer 2015 nicht die Grenzen geöffnet hätte – was eine human gebotene und daher richtige Entscheidung war. Es sind Probleme, die blieben, ganz unabhängig davon, wie vehement Migranten abgeschoben oder rückgeführt werden oder auch nicht.
Wer die sozialen Probleme in Deutschland undifferenziert mit denen der Flüchtlingspolitik vermengt, handelt wider besseres Wissen und verantwortungslos. Er treibt lediglich Keile in diese Gesellschaft, die ablenken sollen von dem, was tatsächlich politisch anstünde, um die Probleme eines auseinandertreibenden Deutschlands zu lösen.
Was ist zu tun?
Wir werben für echte Lösungen, echte soziale Sicherheit und echte Lebensperspektiven für alle hier lebenden Menschen. Als Wohlfahrtsverband sind wir der festen Überzeugung, dass der soziale gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land durch eine offensive und vor allem inklusive Politik wiederhergestellt werden muss und dass dies möglich ist. Wir meinen damit keine Sonntagsreden gegen Rechts, sondern eine Politik, die alle Menschen in Deutschland mitnimmt und keinen ausgrenzt oder zurücklässt. Die Menschen brauchen wieder mehr soziale Sicherheit, sollen sie nicht den Scheinlösungen rechtspopulistischer Demagogen aufsitzen. Um diese Gesellschaft politisch wieder zusammenführen, Ressentiments und Intoleranz zu besiegen, müssen wir diese Gesellschaft auch sozial wieder zusammenführen.
Der Paritätische tritt deshalb ein
- für eine offensive Sozialpolitik, die keinen zurücklässt
- für Alterssicherungsreformen und eine gesetzliche Rente, die den Lebensstandard der Menschen – wenn auch auf bescheidenem Niveau – wieder gewährleistet
- für Erziehungs- und Bildungsangebote, die jedes einzelne Kind bestmöglich fördert und insbesondere auch jene Kinder selbstverständlich teilhaben lässt, die besonderer Förderung bedürfen.
- für auskömmliche Arbeitsverhältnisse ohne prekäre Löhne, sachgrundlose Befristungen und erzwungene Teilzeitarbeit.
- für ein sanktionsfreies Hilfesystem für Arbeitslose und einen sozialen öffentlichen Beschäftigungssektor.
Wir wissen, dass all diese Maßnahmen Geld kosten und setzen uns daher auch für eine solidarische Umverteilung ein. Eine gerechte, solidarische und vernünftige Steuerpolitik, die sehr hohe Einkommen und Vermögen stärker als bisher besteuert, ist die Voraussetzung für einen funktionierenden Sozialstaat und die Förderung einer lebendigen, vielfältigen und geeinten Bürgergesellschaft.
Sie können die Resolution hier herunterladen.