Das Studentenwerk Dresden hat zahlreiche Angebote für Studierende mit Kind. Dazu gehört auch die Kita „SpielWerk“. Viele Familien ganz unterschiedlicher, auch nichtdeutscher Herkunft nutzen die Einrichtung. Eine Befragung einzelner Familien ergab interessante Einblicke und Impulse für die pädagogische Arbeit. Wir unterhielten uns darüber mit Einrichtungsleiterin Cathleen Weiß.
Frau Weiß, wie sehen Sie die interkulturelle Arbeit in Ihrer Kita?
Cathleen Weiß: Der Umgang mit Familien aus verschiedenen Herkunftsländern gehört bei uns zum Tagesgeschäft. Ich konnte gerade im Rahmen der vielen Neuaufnahmen von Kindern zum Kita-Jahresstart eine Vielzahl an Familien kennenlernen. Neben den unterschiedlichsten Lebensentwürfen gibt es bezüglich der Herkunft eine große Vielfalt. Es kommen etwa Kinder aus Indien, Pakistan, China und Russland zu uns. Auch Familien z.B. mit tunesischen, syrischen, tschechischen oder südkoreanischen Wurzeln sind vertreten. Obwohl ich schon viele Aufnahmegespräche geführt habe, wird es nicht langweilig. Jedes Mal lerne ich etwas dazu. Mütter und Väter bekommen etwa leuchtende Augen, wenn man sie fragt, ob der Name des Kindes so oder so ausgesprochen wird. Damit fühlen sie sich willkommen und spüren einen differenzierten Blick. Niemand möchte pauschal als „Ausländer“ gesehen werden.
Wenn Sie und Ihr Team schon so viel Erfahrung haben, warum dann noch eine Befragung?
Cathleen Weiß: Anlass dieser Befragung war eine Veranstaltung beim Paritätischen Sachsen. Ich wurde gebeten, über unsere Arbeit mit Familien nichtdeutscher Herkunft zu berichten. Ich hätte es anmaßend gefunden, trotz der Erfahrungen, über diese Personengruppe zu sprechen, ohne sie zu der einen oder anderen Thematik noch einmal direkt anzusprechen. Es gab auf die Befragung hin auch wirklich einen sehr starken Rücklauf. Das hat mich gefreut.
Was haben Sie über den Familienalltag und die Herausforderungen nichtdeutscher Familien erfahren?
Cathleen Weiß: Familien sind sehr verschieden und demnach gibt es auch nicht die typische „Familie mit nichtdeutschen Wurzeln“. Das haben die Rückmeldungen nochmals bestätigt. Insofern sind die Antworten sehr individuell und durch die jeweiligen Lebenssituationen geprägt.
Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass die Familien den Einstieg in den deutschen Alltag als komplexe Familienaufgabe beschreiben. Angefangen von der Sprache bis hin zum Berufs- oder Studieneinstieg gibt es viele Hürden, die auch das Familienleben prägen. Einige berichten, dass ihnen ihr Alltag nach den Anfangsschwierigkeiten nicht mehr so anders vorkommt wie deutschstämmigen Familien. Andere stoßen hingegen immer wieder an Hürden.
Eventuelle Unwägbarkeiten während der Ankommensphase spüren die Kinder. Seitens der Eltern besteht oft die Erwartung, dass sie Elemente beider Lebensorte in sich vereinen sollen. Kinder sollen beispielsweise die Herkunftssprache sprechen, aber auch Deutsch. Oder es besteht die Herausforderung für sie, sich im deutschen Alltag zurechtzufinden und ebenso die Gewohnheiten und Traditionen der Familie einzuhalten, um nur Einiges zu nennen.
Welche Wünsche an die Kita haben die Familien geäußert?
Cathleen Weiß: Das Thema Sprache steht ganz oben. Die Eltern haben einen sehr hohen Bildungsanspruch und wünschen sich, dass wir darauf einen besonderen Schwerpunkt setzen. Auch das Schaffen von Begegnungen mit anderen Familien, die ihre Kinder in unserer Kita betreuen lassen, wird sehr begrüßt. Es besteht bei einigen der konkrete Wunsch, Kontakte zu deutschsprachigen Familien zu knüpfen. Auch dafür ist unsere Kita ein Ort der Begegnung. Dabei entstehen nicht nur zwischen den Kindern Freundschaften. Menschen unterschiedlichster Herkunft treffen sich, das ist eine schöne Beobachtung.
Was bedeuten die Wünsche der Eltern für die Arbeit mit den Kindern?
Cathleen Weiß: Vielleicht noch mal zum Thema Sprache zurück. Obwohl der Wunsch nach speziellen Deutschkursen geäußert wird, entspricht dies nicht unserem pädagogischen Ansatz. Sprachbildung orientiert sich bei uns an den Kindern und den täglichen Abläufen. Das heißt, unsere Pädagog*innen setzen neben handlungsbegleitetem Sprechen eine Vielzahl an Methoden ein, die alle Kinder in ihrer Sprachentwicklung fördern.
Die Balance zwischen den Wünschen der Eltern und unserer pädagogischen Fachlichkeit zu finden, bleibt eine ständige Aufgabe. Das betrifft übrigens alle Familien – egal ob nichtdeutscher oder deutscher Herkunft. Vielleicht wird es in diesem Kontext nur besonders deutlich, weil die Bandbreite an Vorstellungen und Wünschen noch etwas größer wird. Unsere wichtigste Aufgabe, die wir Eltern immer wieder in der Zusammenarbeit verdeutlichen, liegt in der Befriedigung der kindlichen Grundbedürfnisse. Erst wenn ein Kind sich in der Einrichtung sicher und geborgen fühlt, die Pädagog*innen als Bezugspersonen annimmt, entwickelt es das Interesse die Welt zu entdecken, indem es forscht und experimentiert.
Haben Sie einen Tipp hinsichtlich der interkulturellen Öffnung in Kitas?
Cathleen Weiß: Jegliche Öffnung ist eine Bereicherung statt eine Gefahr! Neugierde, Wertschätzung und Kompromissbereitschaft von allen Seiten ist immer Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander. In dieser Hinsicht machen es uns Familien größtenteils leicht. Innerhalb des Teams ist Selbstreflexion immer wieder von großer Bedeutung, um im eigenen Handeln bestätigt zu werden oder jahrelang Bewährtes zu hinterfragen.
Danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Nicole Börner, Referentin der Paritätische Fach- und Informationsstelle für interkulturelle Öffnung und Diversität. Sie berät und begleitet soziale Organisationen bei der vielfaltsorientierten Personal- und Organisationsentwicklung.
Kontakt:
Nicole Börner
Tel.: 0351/ 828 71 152
E-Mail: nicole.boerner(at)parisax.de