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Wenn der Tod zum Beruf gehört: Sterbebegleitung und Trauer in der Pflege

Eine Pflegekraft hält die Hände eines alten Menschen, der im Bett liegt.

Wenn Pflegepersonen Sterbende begleiten und Angehörigen in der Trauer beistehen, verlangt ihnen das viel ab. Nicht immer sind sie darauf ausreichend vorbereitet. Organisationsberater Jens Kaluza benennt Herausforderungen und gibt einen Ausblick auf Lösungsansätze. 

Seit Menschen existieren, setzen sie sich in vielfältiger Weise mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinander. Diese Lebensbereiche waren von jeher Bestandteile der Kultur des Menschen und sind ihnen daher traditionell vertraut. Wir haben jedoch viel des natürlichen Umgangs mit Sterbenden und Verstorbenen verloren.

Sterben und Sterbebegleitung fordern Pflegende und Betreuende heraus

In moderner Zeit haben sich das Sterbegeschehen und damit auch der Tod in Institutionen verlagert. Über 60 Prozent der Sterbefälle erleben wir in Deutschland in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Die Häuslichkeit als Sterbeort ist seit vielen Jahrzehnten in den Hintergrund getreten. Zwangsläufig rücken somit professionelle Kräfte (Mediziner*innen, Pflegepersonen, Betreuungskräfte u.a.) in den Mittelpunkt des Geschehens, oftmals auch im ambulanten Bereich. Angehörige können dem Geschehen mitunter nur passiv beiwohnen.

Doch auch professionell Pflegende und Betreuungskräfte haben oft Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen. Zum einen, weil das Thema in der (Pflege-)Ausbildung seit Jahrzehnten zu kurz kommt. Zum anderen, weil Pflegende unter personellen und finanziellen Rahmenbedingungen arbeiten müssen, die einer bedarfsgerechten und personenzentrierten Pflege Sterbender oft wenig Raum geben.

Probleme im Umgang mit sterbenden Menschen

Pflegende und Betreuende können oft schlecht einschätzen, wann ein Sterbeprozess beginnt und welche praktischen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Das Wort von Ärztinnen und Ärzten allein oder das berühmte Bauchgefühl können heutzutage professionellen Ansprüchen an die eigene Berufsgruppe nicht mehr genügen. Hier bedarf es fachlicher Unterstützung und Orientierung. Letztendlich geht es oft um Grenzsituationen und damit um ethische Entscheidungen, die auch Pflegende und Betreuende zu verantworten haben.

Große Probleme gibt es immer wieder in der Kommunikation mit Angehörigen. Diesen fällt das Loslassen schwer und das diensthabende Pflegepersonal wird damit stark konfrontiert. Dabei gibt es so viele Themen, die miteinander besprochen werden können. Außerdem fehlt Pflegenden oft noch der Mut, Angehörige in die Sterbebegleitung aktiv mit einzubeziehen. Hier müssen auf beiden Seiten teilweise innere Barrieren überwunden werden.

Sterbeprozesse können zudem lang und quälend sein. Damit sind die psychische Belastbarkeit und Resilienz der begleitenden Personen gefragt, denn oft können sich Pflegende einer Sterbebegleitung nicht entziehen, gerade wenn die oder der Sterbende zum Beispiel sozial komplett vereinsamt ist. Sterbebegleitung kann jedoch herausfordernd sein. Die damit verbundenen eigenen Ängste sollten in einem guten Team nicht einfach abgetan werden.

Tod, Abschied und Trauer würdevoll begleiten

Ist zum Beispiel ein Mensch im Heim verstorben, heißt es Abschiednehmen. Wie geschieht das in unseren Einrichtungen? In welchem Maße und wie überhaupt werden Mitbewohner*innen und Personal dabei einbezogen? Wie gehen wir mit Verstorbenen um? Diesen praktischen Fragen müssen sich Pflegeeinrichtungen stellen. Aus betrieblicher Perspektive geht es um die Implementierung einer bewussten und respektvollen Abschiedskultur als Zeichen von Würde, Fachlichkeit und Qualität. Viele weitere Fragen stehen nun aber auch für die professionellen Kräfte im Raum, insbesondere im Umgang mit den Hinterbliebenen.

Auch an dieser Stelle geht es darum, ein Stück Kultur unseres menschlichen Daseins zurückzugewinnen, Trauer als Normalität anzunehmen, Hinterbliebene zu verstehen und ihnen angemessen zu begegnen.

Loslassen und Abschiednehmen sind dafür die zentralen sozialen und emotionalen Berührungspunkte. Beruflich, wie privat. Unser Leben ist ein endliches Leben und wird fortlaufend vom Abschiednehmen begleitet. Wissenschaft und Technik lösen heute viel, aber nicht alles. Es braucht wieder Vertrauen in die eigene Natürlichkeit. Dann kann auch das letzte Loslassen besser gelingen. Anderen Menschen dabei eine Stütze zu sein, ist ein zutiefst soziales Verhalten und Ausdruck gelebter Ganzheitlichkeit.

Seminare vermitteln Lösungsansätze und geben Impulse

Pflegekräfte und Betreuende können Weiterbildungsangebote nutzen, um eine Reihe von grundsätzlichen Fragen und Problemen zur Sterbebegleitung zu diskutieren. Dazu zählt zum Beispiel die Verinnerlichung der Erkenntnis, dass der sterbende Mensch (im Regelfall) nicht verhungert und deshalb keine Nahrung benötigt. Ebenso wichtig ist es, den Blick viel stärker auch auf psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse Sterbender zu richten. Im palliativen Verständnis gibt es dafür den Begriff von „total pain“, des totalen Schmerzes. Auch die Sterbephasen können dafür genutzt werden, eigenes Verhalten zu überprüfen und sich gegebenenfalls dazu auszutauschen.

Wer sich zu Tod, Abschied und Trauer weiterbildet, gewinnt grundsätzliche Orientierung: Dazu gehört das Verständnis darüber, was Trauer und Trauerarbeit eigentlich ist. Die Auseinandersetzung mit Endlichkeit ist für das gesamte Thema ein Schlüsselmoment. Ebenso lernen Teilnehmende, was ein würdevoller Abschied in einer Pflegeeinrichtung alles umfassen und wie man Trauernden begegnen kann. Dafür sind verschiedene Trauerphasenmodelle nützliche Konstruktionen, wie es auch die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Trauerreaktionen ist. Aber auch der Frage nach der Existenz der menschlichen Seele wird nachgegangen. Das Thema Nahtoderfahrung hat ebenso seinen Platz wie ein kurzer Exkurs zur Versorgung Verstorbener und zur Bestattungskultur.

Weiterbildungen zu Sterben und Sterbebegleitung sowie Tod und Trauer sprechen die Teilnehmenden immer doppelt an: als Akteure in einem professionellen Setting und als private Personen in ihrer Lebenswelt. Sie können durch eine intensive Auseinandersetzung mit beiden aufeinander aufbauenden Themen nicht nur fachlich, sondern auch sozial-emotional dazugewinnen.


Unser Autor Jens Kaluza ist nach längerer Tätigkeit in der sozialwissenschaftlichen Versorgungsforschung seit 1999 selbstständiger Sozialwissenschaftler, Organisationsberater und Dozent in der Pflege. Zum Schwerpunkt Sterben, Tod und Trauer hält er beim Paritätischen Sachsen 2024 zwei Seminare – melden Sie sich jetzt an:

Seminar: „Sterbenszeit ist Lebenszeit! Sterben und Sterbebegleitung als pflegerische und ethische Herausforderung“ am 8.11.2024

Seminar: „Trauernde begleiten – Umgang mit Tod, Abschied und Trauer“ am 5.12.2024


Dieser Artikel erschien zuerst in der Septemberausgabe unseres Verbandsmagazins anspiel.