Kontaktaufnahme

Wenn Förderpraxis die Gemeinnützigkeit ausblendet

Symbolbild: Pfeile zeigen auf verschiedenfarbige Sparschweine.

Förderung ist für gemeinnützige Organisationen ein wichtiges Standbein und für den Staat ein Instrument, um gesellschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten. Zu oft berücksichtigen Förderverfahren jedoch die Besonderheiten gemeinnütziger Akteure nicht oder stehen diesen sogar entgegen.

Anders als Unternehmen der freien Wirtschaft orientieren sich gemeinnützige Organisationen am Gemeinwohl und nicht am Profit. Vor diesem Hintergrund räumt der Staat ihnen besondere steuerliche Vorteile ein, die andererseits auch mit bestimmten Verpflichtungen verbunden sind. Ihre erzielten Überschüsse werden grundsätzlich für den in der Satzung festgelegten, gemeinnützigen Zweck verwendet und nicht ausgeschüttet. Um sich finanziell tragen zu können, bedarf es daher oft eines sehr komplexen Finanzierungsmixes. Dazu gehören beispielsweise Mitgliedsbeiträge, Spenden, teilweise Leistungsentgelte und zudem Fördermittel von Bund, Land oder Kommune.

Immer wieder muss ich in Gesprächen allerdings feststellen, dass die besonderen Eigenschaften der Gemeinnützigkeit, die damit verbundenen Vorteile, aber eben auch Beschränkungen nur wenig bekannt sind. Ganz zu schweigen davon, dass Gemeinnützigkeit mehr ist als nur ein steuerrechtlicher Status. Sie ist der Rahmen für gemeinwohlorientiertes zivilgesellschaftliches Handeln und somit eine wichtige Stütze unserer Demokratie. Die Themenoffensive “#EchtGut – Vorfahrt für Gemeinnützigkeit” des Paritätischen Gesamtverbandes war Anlass für mich, einen Aspekt intensiver zu betrachten, der mich bereits seit Jahren im beruflichen Alltag begleitet: das Spannungsfeld zwischen Gemeinnützigkeit und Förderpraxis.

Gemeinnützigkeit vs. Sozialwirtschaft

Zugegeben: Soziale Organisationen haben hierzu auch ihren Anteil beigetragen. Denn bereitwillig haben wir in den letzten Jahren den Begriff der Sozialwirtschaft für uns genutzt - in der Hoffnung, unsere Branche in einer stark betriebswirtschaftlich geprägten Debatte selbst aufzuwerten. Das Ergebnis? Auch an anderer Stelle betrachtet man uns nun eher mit einer betriebswirtschaftlichen und nicht mit einer dem Gemeinwohl verpflichteten Brille. Umso wichtiger ist es jetzt, selbstbewusst zu betonen, was uns als gemeinnützige Organisation ausmacht und wo unser Wesenskern im Widerspruch zu einer rein betriebswirtschaftlich orientierten Förderlogik steht.

Gemeinnützigkeit als Motor der Zivilgesellschaft und Stütze staatlichen Handelns

Frei-gemeinnützige Wohlfahrtspflege besteht nicht zum Selbstzweck. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips erbringen wir sozialstaatliche Leistungen, helfen und befähigen Menschen vor Ort und tragen so zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Die Liste jener Beispiele, wo gemeinnützige Akteure die Lücken staatlichen Engagements schließen und dort handeln, wo sich privatwirtschaftliche Akteure längst verabschiedet haben, ist lang. Staatliche Institutionen wiederum unterstützen gemeinnützige Träger finanziell durch Fördermittel, wenn sie staatliche Aufgaben übernehmen oder gesellschaftliche Fragen bewegen. Richtlinien, Haushaltsordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie Allgemeine Nebenbestimmungen regeln die Mittelvergabe. Diese Zuschüsse stellen für gemeinnützige Einrichtungen neben Mitgliedsbeiträgen, Spenden sowie verhandelten Entgelten eine besondere und wichtige Form der Finanzierung dar. Sie erfolgt in der Regel als zeitlich begrenzte Projektfinanzierung. Wird die Tätigkeit jedoch als dauerhaft und bedeutsam angesehen, kann die Bezuschussung über eine institutionelle Förderung erfolgen.

Im bürokratischen Dickicht des Förderverfahrens gefangen

Der Freistaat Sachsen hat die Mittelverwaltung im Wesentlichen an den Kommunalen Sozialverband (KSV) und an die Sächsischen Aufbaubank (SAB) übertragen. Hier werden die Fördermittel beantragt und abgerechnet. Der Blick in die Praxis zeigt allerdings, dass die Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln mit einigen Hürden versehen ist. Zu einer ausgedehnten Antragstellung kommen ein hoher Dokumentationsaufwand und kleinteilige Begründungen für verschiedene Ausgabenpositionen hinzu. Am Ende der Förderperiode steht dann ein umfangreicher Verwendungsnachweis. Dies alles gepaart mit schmalen personellen Ressourcen hält gemeinnützige Organisationen oft von einer Antragstellung ab. Die Höhe der zu erbringenden Eigenmittel, aber auch die nicht unerhebliche Vorfinanzierung von Projekten sind weitere Nachteile, die gemeinnützige Träger aufgrund ihrer Beschaffenheit und meist auch ihres sozialen Tätigkeitsfeldes nicht ausgleichen können. Problematisch wird es, wenn nach erfolgreicher Durchführung eines Projektes noch lange im Nachgang verschiedene Ausgaben als nicht förderfähig betrachtet werden, obwohl sie im Antrag korrekt aufgeführt und beantragt und vom Fördermittelgeber beschieden wurden. Damit entsteht ein nachträgliches Defizit, das insbesondere für kleinere Träger das Aus bedeuten kann.

Ein soziales Projekt in einem Förderschema unterzubringen, ist oft nicht leicht. Zudem ist es gerade den betriebswirtschaftlich denkenden Mitarbeitenden der SAB nicht immer leicht vermittelbar, dass der Förderschwerpunkt eben nicht mit klar abrechenbaren Indikatoren untersetzbar ist, wie es beispielsweise beim Bau einer Straße möglich wäre. Ein gewerbliches Unternehmen kann das Ziel des Fördergegenstandes über Kennzahlen, also harte Faktoren zur Wirkungsmessung, ausweisen - Sozialunternehmen stehen dagegen vor der Herausforderung, weiche Erfolge bzw. Wirkungen messen zu müssen. Hier werden gemeinnützigen Akteure zukünftig mit eigenen Instrumenten einer möglichen Vorgabe durch Fördermittelgeber entgegenwirken müssen.

Chance für Reformen vertan

Der Paritätische Sachsen weiß um diese Probleme und brachte beispielsweise im ESF-Begleitausschuss oder in der Förderkommission I zur Vereinfachung und Verbesserung von Förderverfahren die Interessen der Wohlfahrtsverbände und seiner Mitglieder ein. Umso ernüchternder war es, dass der gemeinnützige Bereich bei der Implementierung einer Förderkommission II im Freistaat Sachsen im Jahr 2021 völlig außen vor blieb. Eine vertane Chance, denn diese Kommission sollte die Förderpolitik des Freistaates optimieren sowie Vorschläge für die Konsolidierung von Förderprogrammen und zur Weiterentwicklung der sächsischen Förderstrategie unterbreiten. Das Gremium war stark von Verwaltungsakteur*innen und Steuerexpert*innen geprägt. Die Seite potenzieller gemeinnütziger Fördermittelempfänger fehlte nahezu gänzlich. Dies spiegelte sich dann auch in den Empfehlungen der Kommission wider. Die Abschaffung von Klein- und Kleinstförderprogrammen oder der degressive Charakter von Förderungen sind für gemeinnützige Träger ohne Profitorientierung äußerst problematisch. Darüber hinaus ist die Festlegung auf Eigenanteile von mindestens 10 Prozent insbesondere für originär staatliche Aufgaben kritisch zu betrachten. Zumal sich die Eigenanteile in der Projektförderung allein durch Personalkostensteigerungen erhöhen werden. Für gemeinnützige Träger wird es zunehmend schwieriger werden, diese Eigenmittel aufzubringen.

Für eine gemeinnützige Förderlogik

Es ist folglich dringend an der Zeit, dass es ähnlich den besonderen steuerrechtlichen Regelungen für gemeinnützige Akteure vergleichbare Ausgleiche auch bei Förderverfahren gibt. Gemeinnützigkeit und Förderung dürfen sich nicht ausschließen.


Die Autorin: Simone Zimmermann ist kaufmännische Geschäftsführerin und Bereichsleiterin Finanzen des Paritätischen Sachsen. Sie möchten sich zu Gemeinnützigkeit und Förderung austauschen? Melden Sie sich.

Tel.: 0351 - 828 71 220
E-Mail: simone.zimmermann(at)parisax.de


Der Artikel erschien zuerst in der September-Ausgabe 2023 des Verbandsmagazins anspiel.

 

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!