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Wir sind stolz, gemeinnützig zu sein.

Michael Richter, Landesgeschäftsführer, Paritätischer Sachsen

Seit gut zehn Jahren ist Michael Richter Landesgeschäftsführer des Paritätischen Sachsen. Im Interview mit anspiel. betont er, dass Gemeinnützigkeit weit mehr ist als eine steuerrechtliche Regelung. Gemeinnützigkeit und die damit verbundene Gemeinwohlorientierung sind Überzeugung und Auftrag zugleich.

Herr Richter, was bedeutet Gemeinnützigkeit für den Paritätischen Sachsen und wie spiegelt sie sich in den verbandlichen Aktivitäten wider?

Michael Richter: Gemeinnützigkeit ist das Herzstück unseres Verbandes. Sie bedeutet, dass wir uns dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und unsere Aktivitäten darauf ausrichten, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Unsere zentrale Aufgabe als Spitzenverband ist es daher, unsere Mitglieder dabei zu unterstützen, dass sie soziale Herausforderungen angehen sowie Menschen helfen und stärken können - unabhängig von deren Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status.

Im Paritätischen können ausschließlich gemeinnützige Organisationen Mitglied sein. Daher zeigt sich in unserer Mitgliedschaft eine große Vielfalt an Sozial- und Bildungsthemen, die mit Leidenschaft für das jeweilige Anliegen bewusst unter dem Vorzeichen gemeinnützigen Handelns bearbeitet werden. Gemeinnützigkeit ist also auch abseits ihrer steuerrechtlichen Dimension ein zentrales Motiv unserer Arbeit. Gemeinwohl und aktive Zivilgesellschaft spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Sicherung der sozialen Daseinsvorsorge, zu der unsere Mitglieder im Auftrag der Gesellschaft durch verschiedene Leistungen aktiv beitragen. Unsere fast 500 Mitgliedsorganisationen betreiben sachsenweit allein über 2200 Einrichtungen und Dienste. Sie setzen dabei auf über 44.000 hauptamtliche und rund 12.000 ehrenamtliche Beschäftigte.

Unsere Mitglieder, also auch wir als Team im Landesverband und in den Regionen, wollen nachhaltige Lösungen, die das Leben der Menschen verbessern und sozialen Wandel positiv begleiten. Das hat mich an der freien Wohlfahrtspflege schon immer fasziniert - wir Bürger*innen selbst sind es, die Bedürfnisse identifizieren und zielgerichtete Maßnahmen der Unterstützung und Hilfe zur Selbsthilfe entwickeln. Die gemeinnützige Organisationsstruktur hat sich für diese Ziele bewährt. Ein echtes Erfolgsmodell, wenn es darum geht, die Menschen und nicht den Profit in den Mittelpunkt zu stellen.

Was tut der Verband, um einen positiven sozialen und gesellschaftlichen Beitrag zu leisten?

Michael Richter: Die Arbeit vor Ort erbringen unsere Mitglieder hier in Sachsen. Im Gegensatz zu anderen Wohlfahrtsverbänden ist der Paritätische ein reiner Spitzenverband und nicht selbst Träger von Einrichtungen. Unser Beitrag als Verband besteht darin, dass die Einrichtungen und Dienste gute Rahmenbedingungen vorfinden und sich auf ihre Arbeit vor Ort konzentrieren können.

Um diesem Auftrag nachzukommen, bündeln wir Interessen und Informationen, organisieren Meinungsbildungsprozesse und fachlichen Austausch, bieten Weiterbildungen an und erarbeiten sozial- und bildungspolitische Positionen. Auf dieser Grundlage vertreten wir unsere Mitglieder in zahlreichen Gremien und stehen im Dialog mit Politik und Verwaltung.

Dank der Vielzahl und Vielfalt unserer Mitglieder verfügen wir über ein riesiges Erfahrungswissen, sind nah an Entwicklungen und Innovationen dran. Dadurch können wir die Einrichtungen bestens in ihrer Qualitätsentwicklung begleiten.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für die Gemeinnützigkeit und wie begegnet der Landesverband diesen?

Michael Richter: Wir sind mit verschiedenen Herausforderungen im Bereich der Gemeinnützigkeit konfrontiert. Zum einen sind unsere Organisationen auf öffentliche Gelder angewiesen. Wir machen keine Angebote am freien Markt zu frei kalkulierten Preisen. Die öffentlichen Haushalte sind jedoch unter erheblichem Druck, das bekommen unsere Mitglieder und wir täglich zu spüren. Dies ist kein exklusives Problem gemeinnütziger Organisationen. Aber während in der freien Wirtschaft das Unternehmen eben andere Einnahmequellen erschließen und sich im Markt umorientieren kann, erbringen wir ja konkrete Leistungen der Daseinsvorsorge. Wenn wir das Jugendhaus oder die Erziehungsberatung schließen müssen, ist das Angebot eben erstmal weg.

Ein weiteres Thema ist mit dem letzten Aspekt eng verbunden - die gesellschaftliche Wahrnehmung und Anerkennung der Bedeutung gemeinnütziger Arbeit. Wir arbeiten aktiv und auch öffentlich an der Sensibilisierung für unsere Anliegen und zeigen auf, wie unser Engagement einen positiven Einfluss auf das Gemeinwohl hat. Wir machen eben nicht nur Werbung oder Marketing für irgendwelche Dienstleistungen, sondern tragen durch echte Öffentlichkeitsarbeit zur gesellschaftlichen Debatte bei. Das geht über reine unternehmerische Tätigkeit weit hinaus. Nur Gemeinnützigkeit kann das in diesem Umfang leisten. Dieser Wert sollte mehr Anerkennung finden.

Die Pandemie hat uns zusätzlich vor die Herausforderung gestellt, unsere Konzepte an die veränderten Bedingungen anzupassen und beispielsweise digitale Lösungen zu integrieren, um weiterhin effektive Unterstützung leisten zu können. Das kostet Zeit und Geld, das braucht Leitungsgeschick und fachliche Weiterbildung. Dafür fehlen unseren Mitgliedern häufig die Ressourcen, weil sie kaum Rücklagen für Innovationen bilden können.

Insgesamt sind wir fest davon überzeugt, dass unsere Gemeinwohlorientierung auch in Zukunft wichtig sein wird, damit Veränderungen in der Gesellschaft begleitet werden können und Menschen in Not geholfen wird. Wir wollen weiterhin eine starke Stimme für das Gemeinwohl sein und unseren Beitrag dazu leisten. Oder ganz plakativ: Wir sind stolz, gemeinnützig zu sein.

Wie gewährleistet der Paritätische Sachsen die Transparenz und Rechenschaftspflicht im Hinblick auf seine gemeinnützigen Aktivitäten?

Michael Richter: Transparenz und Rechenschaftspflicht sind für uns von zentraler Bedeutung, um das in uns gesetzte Vertrauen zu wahren. Wir veröffentlichen regelmäßig einschlägige Berichte und Jahresabschlüsse, in denen wir detailliert über unsere Schwerpunkte, Projekte, Finanzen und wirtschaftlichen Ergebnisse informieren. Dadurch gewähren wir Einblicke in unsere Arbeit und zeigen auf, wie die finanziellen Mittel eingesetzt werden.

Ein von der Mitgliederversammlung gewählter Landesvorstand überwacht und begleitet die Arbeit des Verbandes strategisch und wirtschaftlich. Ebenfalls von den Mitgliedern bestimmte Revisor*innen lassen sich regelmäßig berichten und nehmen Einblick in Unterlagen ihrer Wahl. Zudem steht uns ein Beirat aus Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft beratend zur Seite. Dieser stellt auch kritische Fragen. All diese Instanzen sind durch unsere Vereinssatzung geregelt. Zusätzlich stellen wir uns externen Prüfungen und Zertifizierungen durch unabhängige Institutionen.

Wie sieht die finanzielle Struktur des Landesverbandes aus?

Michael Richter: Unsere finanzielle Struktur basiert auf verschiedenen Säulen. Der Großteil unserer Mittel stammt aus den Beiträgen unserer Mitgliedsorganisationen. Diese tragen je nach Größe und wirtschaftlicher Stärke zum Verbandsbudget bei. Geregelt sind die Beiträge durch eine von der Mitgliederversammlung beschlossene Beitragsordnung.

Ein weiterer wichtiger Posten sind Fördermittel, insbesondere die sogenannte Spitzenverbandsförderung, die wir vom Freistaat Sachsen erhalten. Diese finanziert unsere fachlichen Querschnittsaufgaben, die wir für die Gesellschaft als Ganzes, nicht nur exklusiv für unsere Mitglieder erbringen. Das betrifft zum Beispiel die Gremienarbeit oder die Beratung von Politik und Behörden.

Spenden nehmen wir als Verband fast gar nicht ein. Wenn, sind diese meist zweckgebunden, das heißt für ein bestimmtes Ereignis wie eine Naturkatastrophe oder ein bestimmtes Projekt und sie werden dann genau dafür weitergereicht oder eingesetzt.

Der Verband hat zudem zwei Tochtergesellschaften, die sich mit ihren Aufgaben aber selbst tragen und keine Mittel an den Verband ausschütten. Nur aus einer von zwei weiteren Beteiligungen an gemeinnützigen GmbHs erfolgt eine kleine jährliche Ausschüttung von rund 6.000 Euro. Dieses Geld setzen wir stets dafür ein, um neue Projekte oder Aufgaben anschieben zu können.

Herzlichen Dank für das offene Gespräch.


Das Interview erschien zuerst in der September-Ausgabe 2023 des Verbandsmagazins anspiel.

 

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