Die geplante Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit könnte sozialen Unternehmen in Sachsen helfen, indem sie die Umwidmung von Bestandsgebäuden in bezahlbaren Wohnraum fördert und soziale Strukturen stärkt. Carsten Tanneberger, Leiter der Regionalgeschäftsstelle Chemnitz, sieht in der gemeinnützigen Vermietung eine Chance, sofern rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen angepasst werden.
Die gesellschaftlichen sowie haushaltspolitischen Gegebenheiten stellen soziale Unternehmen vor neue Herausforderungen. Zudem bergen steigende Kosten, sich verändernde Bedarfe und der Fachkräftemangel immer mehr wirtschaftliche Risiken. Pflegeangebote sind schon heute angesichts von Personalvakanzen und Auslastungsproblemen von Schließungen bedroht. In der Regel handelt es sich hierbei jedoch um moderne Einrichtungen, die durch ihre Ausstattung und Struktur Ressourcen für den allgemeinen Wohnungsmarkt mitbringen. Mit Blick auf die neue Wohngemeinnützigkeit stellt sich demnach die Frage, inwieweit die Umwidmung von Bestandsgebäuden Chancen eröffnet, um neue Tätigkeitsfelder zu erschließen und die Bestandsgebäude einer anderweitigen Nutzung zuzuführen.
Gesetzliche Rahmenbedingungen der Wohngemeinnützigkeit
Laut eines Kabinettsbeschlusses vom Juni 2024 soll die „Förderung wohngemeinnütziger Zwecke“ im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 als neuer gemeinnütziger Zweck in die Abgabenordnung (§ 52 AO) aufgenommen werden. Stimmt der Bundestag zu, wäre das eine zentrale Voraussetzung, um die Vermietung an bestimmte Personengruppen als gemeinnützig anzuerkennen und sie von der bereits bestehenden steuerbegünstigen Wohnraumüberlassung für Pflege- und Betreuungseinrichtungen zu entkoppeln.
Die Aufnahme in die Abgabenordnung böte die notwendige Rechtssicherheit, um Satzungen zu erweitern bzw. zu ergänzen. Es ist vorgesehen, dass Neu- und Bestandsbauten bei dauerhafter gemeinwohlorientierter Nutzung bezuschusst werden können und die Träger Steuererleichterungen erhalten. Alle gemeinnützigen Körperschaften kommen in Betracht.
So sind zum Beispiel Stiftungen, Genossenschaften, Vereine, gGmbHs, aber auch die bisher eher weniger bekannte gemeinnützige AG, die durch die Ausgabe von Sozial-Aktien ein Fundraising-Potenzial bietet, Rechtsformen, die hierfür in Frage kommen. Auch eine Bewirtschaftung durch Abspaltung, Übertragung, Kooperation (§57 Abs. 3 AO) oder Neugründung eines gemeinnützigen Trägers ist denkbar. Wichtig ist, dass die Angebotsmiete dauerhaft unter der marktüblichen Miete liegen muss.
Potenziale für bezahlbaren Wohnraum
Die geförderte Wohngemeinnützigkeit soll insbesondere Personen zugutekommen, deren Einkommen nicht mehr als das Fünffache, bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden das Sechsfache der Sozialhilfe nach SGB XII beträgt. Die Einkommensgrenze wird zu Beginn des Mietverhältnisses geprüft, spätere Einkommenssteigerungen der Mietenden sind für die Gemeinnützigkeit unschädlich. Soziale Unternehmen können sich somit in der sozialen Vermietung engagieren und entsprechende Angebote schaffen.
Eine Rolle spielt das vor allem in Regionen, in denen bezahlbarer Wohnraum knapp ist und den beschriebenen Personengruppen der Zugang dazu erschwert wird. Beispielsweise könnte ein Pflegeheim, das aufgrund des Fachkräftemangels und sinkender Nachfrage kurz vor der Schließung steht, durch die Umwidmung in sozial geförderten Wohnraum nicht nur als Einrichtung erhalten bleiben, sondern auch dringend benötigten Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen bieten.
Oft sind Pflegeheime zudem barrierefrei gebaut und können so auch weiteren Personengruppen auf dem Wohnungsmarkt gerecht werden. Aber nicht nur für Pflegeeinrichtungen ist die Wohngemeinnützigkeit relevant. Es kommen beispielsweise auch Jugendliche aus der stationären Jugendhilfe in Betracht, die nach dem Verlassen der stationären Betreuung oft keinen geeigneten Wohnraum finden. Durch die Umwidmung von Gebäuden in sozial geförderten Wohnraum könnte den jungen Erwachsenen geholfen werden.
Herausforderungen und notwendige Entscheidungen in der Praxis
In der Praxis sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen und Fragen offen. Denn oft stehen Zweckbindungsfristen und andere Auflagen einer Umnutzung entgegen. Aber auch der Aufwand für notwendige Umbauten, Modernisierungen oder gar einen Neubau ist zu kalkulieren und letztlich in einem Gesamtkonzept zu betrachten.
Kritik an der Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit kommt von gewerblichen Wohnungsunternehmen, die befürchten, dass eine Vermietung unter Marktpreis zur Konzentration finanziell benachteiligter Menschen in einem Wohngebiet führt sowie Investitionen in Instandhaltung und Modernisierung verhindert. Ein diffuses Argument scheint hierbei die Annahme, dass etwaige Überschüsse gemeinnütziger Unternehmen in Verwaltung und hohe Vergütungen für das Personal fließen, nicht aber in die Angebotsstruktur.
Dieser Kritik ist entgegenzuhalten, dass durch Gewinnstreben und Börsengänge gerade in den Ballungszentren die Wohnsituation nicht nur für wirtschaftlich schwächere Menschen deutlich schlechter wird, sondern auch die Qualität von günstigeren Wohnbeständen leidet. Das zeigt sich am zivilgesellschaftlichen Unmut, der immer wieder hochkocht, wenn es um das Thema Wohnen geht. Die große Chance besteht nun gerade darin, dass gemeinwohlorientierte Vermietung in unterschiedliche Wohnquartiere eingestreut werden kann und ein durchmischter Sozialraum den sozialen Zusammenhalt stärkt.
Rahmenbedingungen jetzt gestalten
Sollte die Politik die notwendigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schaffen, könnten die neuen Voraussetzungen für die Sicherung von Bestandsgebäuden interessant sein.* Dies betrifft Gebäude, die bisher schon zu Wohn- oder wohnähnlichen Zwecken genutzt wurden, und könnte insgesamt mehr Engagement für bezahlbaren Wohnraum fördern. Zuvor muss jedoch vor allem die Frage zum flexiblen Umgang mit bestehenden Zweckbindungen geklärt werden. Dafür wird sich der Paritätische Sachsen auch auf regionaler Ebene einsetzen und den Austausch mit Mitgliedsorganisationen, Netzwerkpartnern und der Politik intensivieren.
* Hinweis: Der Deutsche Bundestag hat die Wohngemeinnützigkeit beschlossen und die Umsetzung in der Abgabenordnung ist seit 01. Januar 2025 in Kraft. Dies war zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Kommentars (11.2024) noch offen.
Kontakt:
Carsten Tanneberger (Leitung Regionalgeschäftsstelle Chemnitz)
Telefon: 0371 - 232 991
E-Mail: carsten.tanneberger(at)parisax.de
Der Artikel erschien zuerst in der September-Ausgabe 2024 unseres Verbandsmagazins anspiel. Das Heft befasste sich mit dem Themenschwerpunkt "Soziale Innovation".