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Wohnraum, der passt.

Ältere Dame im Rollstuhl blickt aus dem Fenster. (Foto: rawpixel Ltd./ Fotolia.com)

Adäquaten Wohnraum für Menschen mit Behinderungen zu finden, ist nicht leicht. Asylsuchende mit Einschränkungen stehen vor einer noch größeren Herausforderung, wenn sie aus der Erstaufnahme in die eigene Wohnung ziehen. Hier kommt die Koordinierungsstelle CARE der SFZ CoWerk gGmbH aus Chemnitz ins Spiel.

Muhamad D. kam auf beschwerlichen Wegen aus Syrien nach Deutschland und beantragte Asyl. Während des Konfliktes in seinem Heimatland erlitt er eine Beinverletzung, deretwegen es ihm heute schwer fällt, längere Strecken zu laufen oder Treppen zu steigen. In der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) fühlte er sich wieder sicher und gut versorgt, jedoch waren die Toiletten und das Gemeinschaftsbad auf einer anderen Etage. Die Wege dorthin waren für ihn jedes Mal beschwerlich, das Waschen eine Überwindung. Wie froh er war, als seinem Antrag auf Asyl stattgegeben wurde und er in die dezentrale Unterbringung wechseln konnte. Mit der eigenen Wohnung verband Muhamad nicht nur die Freude darauf, endlich wieder Privatsphäre zu haben. Er hoffte zudem, dass sich der Alltag dann wieder etwas leichter bewältigen lassen würde. Die Kommune wies ihm allerdings eine Wohnung im vierten Stock eines Altbaus ohne Fahrstuhl zu. Muhamad verlässt sie nur, wenn es nicht anders geht.

Die Geschichte von Muhamad D. steht beispielhaft für Situationen, in die zugewanderte Menschen mit Behinderung geraten können, wenn es um den Wechsel aus der EAE in den eigenen Wohnraum geht, bestätigt Marie Heilmann-Krauß aus Erfahrung. Sie leitet die EAE für Asylsuchende der SFZ CoWerk gGmbH und arbeitete bis vor kurzem für die seit 2015 bestehende Koordinierungsstelle CARE. Ziel von CARE ist es, Asylbewerber*innen mit Einschränkungen beim Übergang von der EAE in die kommunale Betreuung und damit in möglichst passenden Wohnraum zu begleiten.

Wer weiß, was gebraucht wird?

„Es fängt oft schon in den EAE an, die selten an die Bedarfe von Menschen mit Einschränkungen angepasst sind. Bauliche Hürden sind leider meist die Regel. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen, die neben ihrem körperlichen Handicap oft unter psychischen und seelischen Verletzungen leiden. CoWerk betreibt daher eine EAE, die solche Bedarfe berücksichtigt. Bundesweit die einzige dieser Art. Aus ganz Sachsen werden uns Menschen und ihre Familien zugewiesen. Die Plätze sind immer belegt“, berichtet Marie Heilmann-Krauß.

Der Träger ist mit CARE zudem ein Spezialist für Fragen der Überleitung von Asylsuchenden mit Einschränkungen. Der Kontakt zur Abteilung Landesinterne Verteilung der Landesdirektion Sachsen, zu kommunalen Institutionen und anderen sächsischen EAE ist eng. Die Koordinierungsstelle hat sich über die Jahre einen guten Ruf erarbeitet. Es sind ganz praktische Hilfestellungen und eine pragmatische Sichtweise auf Lösungen, die CARE den Netzwerkpartnern anbietet. Dort, wo beispielsweise kein passender Wohnraum auffindbar ist, wird nach Möglichkeiten gesucht, wie Betroffene mit Hilfsmitteln unterstützt werden können. Diese stellt CoWerk übergangsweise auch anderen EAEs zur Verfügung.

Eins hebt die Einrichtungsleiterin als entscheidend hervor: „Alle beteiligten Akteure müssen es wissen, wenn bei Asylsuchenden mit Einschränkungen besondere Bedarfe bestehen. Das war anfangs nicht so. Kenntnis darüber hatten bestenfalls die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in der jeweiligen EAE. Schon bei der Landesverteilung war dies nur eingeschränkt bekannt. Die kommunalen Stellen wussten oft überhaupt nicht darüber Bescheid. Wie auch? Solche Aspekte wurden nur sporadisch erfasst.“

Akteure verbinden – Informationen koordinieren

Hier setzt CARE an. Es unterstützt dabei, dass Abläufe und Prozesse in den EAE für die Zielgruppe vereinheitlicht werden. Damit wird die bedarfsgerechte Unterbringung optimiert und bestenfalls beschleunigt. Im Effekt sollen in den Kommunen fehlgeleitete Überstellungen vermieden werden. Damit das funktioniert, hat das CARE-Team einen Standard entwickelt, der bei den beteiligten Institutionen inzwischen weitgehend bekannt ist. Auf nur zwei Seiten sind die notwendigen Schritte festgehalten und für die Praktiker*innen vor Ort gut nachvollziehbar. Zudem steht CARE immer begleitend zur Seite und unterstützt das Informationsmanagement.

„Informationsmanagement und Netzwerkarbeit sind die zentralen Bausteine. Wir haben eine enge Verbindung mit den EAE, der Landesdirektion und den Kommunen. Gleichzeitig gehört es zu unseren Aufgaben, ein Bewusstsein für die jeweils anderen Professionen zu schaffen und die Augen für Handlungszwänge und Möglichkeiten zu öffnen. Darüber hinaus haben wir ein Netz an über 50 Medizinerinnen und Medizinern sowie verschiedenen Pflegediensten aufgebaut, die wir miteinbinden können. Menschen mit verschiedensten Sprachkenntnissen gehören ebenso dazu“, sagt Marie Heilmann-Krauß.

Jeder Fall ist einzigartig und zum Teil sind kreative Lösungen gefragt. Das zweiköpfigen CARE-Team muss sich daher sowohl im Themenfeld Migration als auch mit Behinderungen, Erkrankungen und weiteren Kompetenzeinschränkungen auskennen. Bei dieser inhaltlichen Bandbreite ist ein gutes Netzwerk fachlich versierter Partner unabdingbar. Weitere Beratungs- und Vernetzungsstellen sind erforderlich, um die vielseitigen Bedarfe abzudecken.

Kompetenzgewinn für den Träger

CARE ist jedoch nicht nur für die Asylsuchenden sowie die beteiligten Akteure von Vorteil. Der Träger CoWerk profitiert genauso von dem über die Aktion Mensch geförderten Projekt, denn der Kompetenzgewinn und die stetig wachsende Vernetzung sind außerordentlich wertvoll. Als Inklusionsfirma liegt das Haupttätigkeitsfeld des CoWerk in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Die neu gewonnen Fähigkeiten u.a. im Fachbereich Migration kommen jetzt aber im Konzern SFZ auch an anderen Stellen zur Anwendung und helfen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Nicht zuletzt die gesteigerte Sichtbarkeit des Trägers wirkt sich positiv auf das Unternehmen insgesamt aus.

Rückblickend meint die Einrichtungsleiterin: „Die Anfangsphase war nicht leicht. Wir mussten viel lernen und neue Erfahrungen sammeln. Es hat sich aber gelohnt, neue Wege zu gehen. Das gilt für die Menschen, die wir unterstützen können, aber auch für uns als Unternehmen.“ Für Menschen wie Muhamad D. bedeutet dieser Erfolg die Chance auf Teilhabe und Selbstbestimmung.


Sie haben Interesse am fachlichen Dialog und Erfahrungsaustausch mit der SFZ CoWerk gGmbH? Nehmen Sie Kontakt auf: www.cowerk.de


Der Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 2.2019 des Verbandsmagazins anspiel.