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Menschenrechte konkret: Allgemeines und gleiches Wahlrecht

Logo der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen


In der Reihe „Menschenrechte konkret“ erzählen sächsische Organisationen der Sozial- und Bildungsarbeit, was einzelne Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für ihre Arbeit bedeuten. Heute: Sprecherrat Werkstatträte Sachsen, ein Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Sachsen e.V., zu Artikel 21 - Allgemeines und gleiches Wahlrecht.

Diesmal sprachen wir mit Thomas Müller als Vertreter des Sprecherrates Werkstatträte Sachsen über die Bedeutung des Artikels 21 und dessen Auswirkungen auf die praktische Arbeit der Beschäftigten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.

Welche Rolle spielt Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Ihrem Bereich, wenn Sie an Mitarbeitende oder Zielgruppen denken?

Thomas Müller: Die Werkstättenmitwirkungsverordnung (WMVO) regelt auf Bundesebene, dass die Beschäftigten jeder Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) die Mitglieder ihres Werkstattrats selbstständig aufstellen und frei wählen. Somit stellt diese Form der Interessenvertretung ein demokratisches Instrument dar und hilft den Menschen in WfbM’s bei der Umsetzung ihrer Menschenrechte. Sie ermöglicht den Beschäftigten die Partizipation und die Ausübung von Entscheidungsgewalt.

Wir, der Sprecherrat der Werkstatträte Sachsen, bestehen aus zehn – von allen sächsischen Werkstatträten gewählten – Vertreter*innen und vernetzen auf regionaler und überregionaler Ebene die Arbeit der Werkstatträte. Durch die Kooperation mit der Bundesarbeitsgemeinschaft WfbM und dem Werkstatträte Deutschland e.V. werden die Werkstatträte aus Sachsen auch auf Bundesebene gehört. Unsere Mitarbeit in politischen Gremien, u. a. im sächsischen Landesbeirat, ermöglicht zudem die Mitsprache in landespolitischen Prozessen.

Wo sehen Sie die größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Bezug auf den Artikel 21?

Thomas Müller: In Bezug auf Artikel 21 stellt politische Partizipation für viele Menschen, die in Werkstätten arbeiten, eine große Herausforderung dar. Um mögliche Unsicherheiten oder Ängste vor der Übernahme von politischer Verantwortung von Werkstattbeschäftigten abzubauen, bedarf es an Unterstützung und leicht verständlicher Informationen. Vor Wahlen - intern sowie kommunal bis bundesweit - gelingt dies zum Beispiel durch Veranstaltungen, die über die individuellen Rechte und Möglichkeiten, den Ablauf von Wahlen, Parteiprogramme u.a. informieren. Diese Informationen werden natürlich rechtzeitig, umfassend und unparteiisch vermittelt.

Viele Aspekte der Inklusion werden im politischen Alltag jedoch noch nicht ausreichend berücksichtigt. Hürden wie fehlende bauliche oder kommunikative Barrierefreiheit erschweren die Teilhabe außerhalb der Werkstätten.

Zusätzlich entsteht häufig der Eindruck, dass bei Themen von gesellschaftlichem Interesse die Leistungen von Menschen mit Behinderung nicht wertgeschätzt oder vergessen werden. Vor kurzem erst wurden bspw. Corona-Sonderprämien im Pflegebereich ausgezahlt – nur nicht für die Werkstattbeschäftigten, die auf Außenarbeitsplätzen in der Altenpflege arbeiten.

Welche Lösungen für diese Herausforderungen sehen Sie?

Thomas Müller: Grundlage ist das Vertreten der Rechte der Menschen mit Behinderung auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen. Für eine bessere Zukunft ist es notwendig, dass Entscheidungsträger*innen die Interessen und Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung stets in ihr Handeln mit einbeziehen - genauso, wie es ihnen nach dem Grundgesetz zusteht. Dafür kämpfen wir!

Was tun Sie in Ihrer Arbeit dafür, diesen Aspekten der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gerecht zu werden?

Thomas Müller: Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen, welche in einer Werkstatt arbeiten, ihre Rechte einfordern und ihren Alltag vor Ort aktiv mitgestalten können. Dabei werden wir durch die von uns gewählte Assistenz, bzw. vor Ort durch die Vertrauenspersonen unterstützt. Das geschieht zum Beispiel durch Netzwerkarbeit, Information und Weitergabe der Interessenbekundungen an politische Akteur*innen und Institutionen. Durch die WMVO ist das Recht auf Mitwirkung und Mitbestimmung der Werkstatträte rechtlich verankert. Dass dieses Recht auch umgesetzt wird, sehen wir als eine unserer Aufgaben.


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - Artikel 21

  1. Jeder Mensch hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten des eigenen  Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter_innen mitzuwirken.
  2. Jeder Mensch hat das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern im eigenen Lande.
  3. Der Wille des Volkes bildet die Grundlage für die Autorität der öffentlichen Gewalt; dieser Wille muss durch regelmäßige, unverfälschte, allgemeine und gleiche Wahlen mit geheimer Stimmabgabe oder in einem gleichwertigen freien Wahlverfahren zum Ausdruck kommen.

Lesen Sie mehr über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf www.institut-fuer-menschenrechte.de


Der Sprecherrat Werkstatträte Sachsen, ein Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Sachsen e.V. ist eine von rund 200 Organisationen, die sich der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen haben.

Ihre Organisation möchte die Erklärung ebenfalls unterzeichnen?

Senden Sie eine E-Mail an nicole.boerner(at)parisax.de oder rufen Sie an unter 0351/ 828 71 152.


Alle bereits erschienen Interviews der Reihe können Sie hier lesen.