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Menschenrechte konkret: Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit

Logo der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen


In der Reihe „Menschenrechte konkret“ erzählen sächsische Organisationen der Sozial- und Bildungsarbeit, was einzelne Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte für ihre Arbeit bedeuten. Heute: Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete Leipzig (PSZ Leipzig) zu Artikel 3 – Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit.

Diesmal sprachen wir mit Nina Schiffmann, Sozialarbeiterin im Psychosozialen Zentrum für Geflüchtete Leipzig (PSZ Leipzig) und Corinna Klinger, Projektleiterin des PSZ Leipzig und Mitglied des Trägervereins Mosaik Leipzig e. V., über die Bedeutung des Artikels 3 und dessen Auswirkungen auf die praktische Arbeit des PSZ Leipzig.

Welche Rolle spielt Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Ihrer Organisation, wenn Sie an Mitarbeitende oder Zielgruppen denken?

Nina Schiffmann: Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person ist für alle Menschen ein zentrales Menschenrecht. Fast allen Personen, die sich ratsuchend an das PSZ des Mosaik Leipzig e.V. wenden, wurde dieses Recht wiederholt massiv verwehrt. Sie wurden eingesperrt, gefoltert, verfolgt. Vielfach hat die Schutzpflicht anderer Staaten versagt, ihnen das Recht auf ein freies und sicheres Leben zu gewähren. Diese Erfahrungen setzen sich in der Regel auch in Deutschland fort. Auch hier können Geflüchtete nur eingeschränkt leben. Sie wissen nicht, ob und wie lange sie sich in Sicherheit wähnen können, sind abhängig davon, dass ihre Fluchtgründe als Asylgründe anerkannt werden und haben einen erschwerten Zugang zum Menschenrecht auf Gesundheit.

Wir stoßen in unserer täglichen Arbeit an Grenzen. Die Menschen, die bei uns Rat suchen, bedürfen, insbesondere aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation, dringend einer angemessenen medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung und einer sicheren Unterbringung.

Corinna Klinger: Sowohl als Organisation als auch in der Projektarbeit sind die Menschenrechte und das Grundgesetz leitend. Unser Denken und Handeln ist humanistisch und ganzheitlich ausgerichtet. Es ist uns wichtig, konfessionsfreie und vielfalts-wertschätzende Räume zur Verfügung zu stellen. Einerseits, um in unserer Arbeit frei und ungebunden agieren zu können und andererseits, um allen Menschen unabhängig ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und Alters etc. Zugang zu ermöglichen.

Als unterzeichnende Organisation der Charta der Vielfalt setzen wir uns für Chancengleichheit ein. Zum Beispiel sind wir überzeugt, dass eine vielfältige Aufstellung im Vereinsvorstand und den Teams uns dabei hilft, inspiriert und wirkungsvoll zu arbeiten.

Wo sehen Sie die größten gesellschaftlichen Herausforderungen hinsichtlich des Artikels 3?

Corinna Klinger: Damit die Menschenrechte, Rechte für alle Menschen sind, muss bei jeder und jedem einzelnen von uns ein Nachdenken und Umdenken stattfinden. Als Gesellschaft müssen wir unsere Haltung, unser Handeln, unsere Strukturen und unsere individuellen Lebensziele hinterfragen. Die Menschen in wirksamer Größenordnung dazu zu bewegen, ist die zentrale Herausforderung. Doch nur so kann es gelingen, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und Menschenrechte für alle wirksam werden zu lassen.

Welche Lösungen für diese Herausforderungen sehen Sie?

Nina Schiffmann: Mit Blick auf die Klient*innenarbeit sehen wir einen wichtigen Schritt in der Einrichtung unabhängiger Beschwerdestelle sowie klare Gewaltschutzkonzepte. Sie könnten Geflüchtete unterstützen, ihre Rechte in Deutschland durchzusetzen. Um den fragilen rechtlichen Rahmen für geflüchtete Personen zu stärken und auszuweiten, muss auch die Umsetzung bestehender gesetzlicher Regelungen besser gelingen.

Corinna Klinger: Konkret für die bundesweit tätigen PSZ wäre es hilfreich, wenn diese als spezialisierter Teil des gesundheitlichen Regelsystems anerkannt und entsprechend finanziert würden. Die aktuelle Projektförderung birgt eine nicht tragbare Unsicherheit für Fachkräfte und Klient*innen.

Ich persönlich sehe in Quotenregelungen einen guten Ansatz um Vielfalt und Anerkennung unterschiedlicher Herkunft, Lebensentwürfe etc. in Organisationen zu stärken.

Was tun Sie in Ihrer Arbeit dafür, dem Artikel 3 gerecht zu werden?

Nina Schiffmann: Zum Selbstverständnis unserer Beratungsarbeit gehört es, Personen mit Fluchterfahrung in ihrer Individualität wahrzunehmen, sie wieder als Menschen mit Ressourcen, Träumen und Bedürfnissen zu begreifen. Wir verstehen unsere Räume als sicheren Ort, in dem sich ratsuchende Personen frei äußern und entfalten können. Manchmal geht es auch nur darum, zuzuhören, um dann gemeinsam mit den Ratsuchenden für ihre Rechte einzutreten und diese einzufordern. Und so lange unsere Zielgruppe kein umfassendes „Recht, Rechte zu haben“ besitzt und die Menschenrechte nicht für alle Menschen auf die gleiche Art und Weise zugänglich sind, werden wir über die individuelle Arbeit mit den Klient*innen hinaus auch öffentlich für die Rechte unserer Zielgruppe eintreten.

Corinna Klinger: Einzeln, aber auch als Team verfolgen wir gesellschaftliche Entwicklungen sowie Debatten. Viele Mitarbeitende im Verein und den Projekten engagieren sich privat und beruflich auf unterschiedliche Weise in gesellschaftspolitischen Fragen.

Dennoch sensibilisieren wir uns in den Teams untereinander sowie auch andere für ausgrenzende Prozesse, Sprache und Strukturen, weiße Privilegien und Freiheiten, Rassismus und Diskriminierung. Immer wieder trainieren wir gewaltfreie und wertschätzende Sprache, demokratische Prozesse und Selbstfürsorge.


Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - Artikel 3

Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Lesen Sie mehr über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf www.institut-fuer-menschenrechte.de


Das Psychosoziale Zentrum für Geflüchtete Leipzig ist im Trägerverein Mosaik e.V. Leipzig organisiert. Mosaik e.V. ist eine von rund 200 Organisationen, die sich der Erklärung für eine menschenrechtsorientierte Sozial- und Bildungsarbeit in Sachsen angeschlossen haben.

Ihre Organisation möchte die Erklärung ebenfalls unterzeichnen?

Senden Sie eine E-Mail an nicole.boerner(at)parisax.de oder rufen Sie an unter 0351/ 828 71 152.


Alle bereits erschienen Interviews der Reihe können Sie hier lesen.